Mönchengladbach Mennoniten kurbelten Textilgewerbe an

Mönchengladbach · Die Autoren dieses Beitrags sind noch Schüler am Stift.-Hum.-Gymnasium. Für ein neues Buch der Geschichtswerkstatt untersuchten sie das Leben der Mennoniten in Gladbach und Rheydt. Wir veröffentlichen eine Zusammenfassung.

 Diese Abbildung spiegelt die Versammlung von Mennoniten wider, die im 16. und 17. Jahrhundert in Gladbach und Rheydt lebten.

Diese Abbildung spiegelt die Versammlung von Mennoniten wider, die im 16. und 17. Jahrhundert in Gladbach und Rheydt lebten.

Foto: Stadt MG

Ein mysteriöser Kult oder doch eine ganz normale Glaubensgemeinschaft? Diese Frage haben wir uns gestellt, als wir das erste Mal von den Mennoniten im Zusammenhang mit einem Projektkurs Lokalgeschichte des Stiftischen Humanistischen Gymnasiums hörten. Auch wenn wir im Laufe der Themensuche auf viele interessante Geschichten stießen, hat uns die der Mennoniten und ihr damit verbundenes Schicksal, das von Ausgrenzung und Verfolgung geprägt ist, sehr bewegt.

Nachdem wir unser Thema hatten, haben wir uns im Stadtarchiv an die Arbeit gemacht und alle Informationen gesammelt, die wir bekommen konnten. Auch in der Stadtbibliothek wurden wir fündig. Des Weiteren suchten wir die Gemeinde der Mennoniten in Krefeld auf und durften dort Pfarrer Christoph Wiebe die Fragen stellen, die uns besonders beschäftigten. Diese Informationsquellen gaben uns einen Einblick in die Geschichte der Mennoniten: Sie begann in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts in der Schweiz. Die Mennoniten wurden wenige Jahre nach ihrer Gründung zu Reichsfeinden erklärt, am 4. Januar 1528 wurde ein kaiserliches Mandat erlassen, das die Mitgliedschaft bei den Mennoniten mit der Todesstrafe belegte. Trotzdem verbreiteten sich ihre Lehren innerhalb weniger Jahre bis nach Gladbach und sogar bis in die Niederlande. Einer der größten Unterschiede zum evangelischen und katholischen Christentum war die Ablehnung der Kindertaufe, die durch die Erwachsenentaufe ersetzt wurde.

In Gladbach wurden die überaus tüchtigen Mennoniten, die dort 1530 ankamen, wegen ihrer Erfolge in der Textilindustrie vorläufig geduldet. Ihr Lebensstil war unauffällig. Sie waren sehr fleißige und regelmäßige Steuerzahler. Dies stellte sie vorläufig gut mit den Behörden. Sie trugen maßgeblich zur Blüte der Textilindustrie in Gladbach bei. Doch auch hier war ihre Existenz äußerst unsicher. Ein weiterer Erlass führte dazu, dass ein Exempel an dem bedeutenden Mennoniten "Vit to Pilgram" statuiert wurde: Er wurde auf dem Alten Markt verbrannt.

Im Jahre 1556 wurden die Behörden vom Herzog dazu angehalten, nach Mennoniten zu fahnden. Die Gladbacher Behörden gaben jedoch vor, nichts von den Mennoniten zu wissen, da sie auf die nicht unerheblichen Steuerzahlungen dieser Gruppe keinesfalls verzichten wollten. Akzeptiert wurden sie trotz all dem nicht und mussten im Verborgenen agieren. Die Termine ihrer heimlichen Zusammenkünfte, die in einem Stall oder einem Gebüsch an einer Straße in Viersen stattfanden, wurden durch Mundpropaganda weitergegeben.

Am 30. Juni 1575 wurde ein Verzeichnis von allen Mennoniten in Gladbach erstellt. Dieses forderte sie auf, ihrem Glauben abzuschwören. Sonst würde ihnen ihr Hab und Gut entzogen. Hierbei handelte es sich jedoch wohl eher um eine leere Drohung. Es gab sogar Katholiken und Reformierte, die zu den Mennoniten übertraten. Durch mehrere Regierungswechsel in den folgenden Jahrzehnten entspannte und verschärfte sich ihre Lage immer wieder. 1609 wurde ihnen kurzzeitig sogar Glaubensfreiheit versprochen.

Graf Phillip Wilhelm, der 1653 sein Amt antrat, wollte keine Religionsfreiheit. Er nutzte die erstellten Listen, um die Mennoniten des Landes zu verweisen. Diese reichten Beschwerde ein - mit dem Verweis darauf, dass sie schon so lange dort sesshaft waren. Auch wirtschaftlich denkende und vorausschauende Beamte legten ein gutes Wort für sie ein. Doch all dies half nicht, und sie wurden Ende 1654, über einhundert Jahre nach ihrer Ankunft in Gladbach, von dort vertrieben. Sie flüchteten daraufhin vornehmlich nach Rheydt und Krefeld.

In Rheydt zog man einen wirtschaftlichen Vorteil aus ihrem Talent im Textilgewerbe, den man in Mönchengladbach schmerzlich vermissen sollte. Im Nachhinein setzten sich die Gladbacher Vögte bei der Regierung in Düsseldorf für die Rückkehr der Mennoniten ein, da nun in Gladbach die Wirtschaft brach lag. Später wanderten einige Krefelder Mennoniten nach Pennsylvania aus und gründeten dort mit anderen Auswanderern "Germantown". Noch heute leben in Krefeld Mennoniten in ihrer Gemeinde.

Das Schicksal der Mennoniten ist nicht nur überaus interessant und bewegend, sondern es lässt sich auch auf die Gegenwart beziehen. Noch heute werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Kultur oder Religion verachtet, ausgegrenzt und verfolgt. Mit unserer Arbeit wollten wir Licht ins Dunkel bringen und die Vergangenheit der Mennoniten aufdecken, gleichzeitig wollen wir aber auch ein Zeichen für Toleranz in der heutigen Zeit setzen. In jedem Fall haben wir viel Wissenswertes und Spannendes erfahren können.

Die Autoren sind Schüler des Stift.-Hum. Gymnasiums. Der Text ist ein Auszug aus dem Buchprojekt der Geschichtswerkstatt Mönchengladbach: Menschen in Mönchengladbach - Kommen und gehen verändern die Stadt, das im März 2018 im Klartext-Verlag erscheint: ISBN: 978-3-8375-1859-7.

(RP)
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