Mönchengladbach Wenn ein Kenner des Karnevals zur Feder greift

Mönchengladbach · Herbert Engelmann (91) ist seit 69 Jahren Mitglied der Gladbacher Prinzengarde. Er hat Geschichten und Anekdoten aus dem Karneval zusammengestellt und mehr als 350 Orden gesammelt.

 Herbert Engelmann machte früher seine Zahnarztpraxis an den Karnevalstagen zu. Auch jetzt noch begleitet er das Prinzenpaar in Uniform.

Herbert Engelmann machte früher seine Zahnarztpraxis an den Karnevalstagen zu. Auch jetzt noch begleitet er das Prinzenpaar in Uniform.

Foto: Rietdorf

Für das nächste Jahr wird sich die Prinzengarde der Stadt Mönchengladbach Besonderes einfallen lassen müssen. Dann wird nämlich Herbert Engelmann seine 70-jährige Mitgliedschaft in der Garde feiern können. Fast sieben Jahrzehnte Gladbacher Karneval hautnah - das bedeutet jede Menge Ereignisse, Geschichten und Erlebnisse rund ums närrische Brauchtum. Auf Drängen seiner Mitgardisten hat Engelmann sie aufgeschrieben - es geht um die Nachkriegszeit, als der Karneval wiederbelebt wird, ums Zähneziehen bei Gardekommandanten und abgebrannte Säle.

Ein echter Karnevalist arbeitet natürlich während der heißen Phase des Karnevals nicht. Engelmann, seines Zeichens Zahnarzt, machte regelmäßig die Praxis zu. Angeregt von einer Kölner Berufskollegin hängte er von Karnevalsfreitag bis Aschermittwoch ein Schild an seine Praxistür: "An den Karnevalstagen Selbstbedienung, Zange liegt unter der Matte."

Aber so ganz stimmt das nicht - für besondere Freunde gab es schon mal eine Spezialbehandlung. Erich Meer, Engelmanns guter Freund und in diesen Tagen Gardekommandant, hatte zu Beginn der Session Zahnschmerzen, weigerte sich aber, sich den Zahn ziehen zu lassen. Es wurde besser, es wurde schlechter, bis der Karneval vorbei war. Nach Aschermittwoch, spätabends, wollte sich Meer jetzt doch den Zahn entfernen lassen. In einer improvisierten nächtlichen Sprechstunde wurde der Auslöser der Qualen gezogen, der Mund mit Sekt ausgespült - eine Bedingung Meers -, und alles war wieder in Ordnung. In der nächsten Session gab es ein Nachspiel: Engelmann hatte den Zahn behalten, gesäubert, in einen Messingstern einfügen lassen und überreichte ihn dem Freund auf der Bühne unter großem Hallo als "Reliquienorden".

Die Gladbacher Garde konnte feiern, und sie tat das lange Zeit in der Kaiser-Friedrich-Halle. Bis die Halle 1964 abbrannte - erst sechs Jahre später konnte in der KFH wieder Karneval gefeiert werden, aber nicht lange. 1977 brannte sie schon wieder. Deshalb wurde in der nachfolgenden Session das Motto "Ein Herz und eine Seele" flugs umgestaltet zu "Ein Herz und keine Säle".

In all den Jahrzehnten hat sich der Gladbacher Karneval entwickelt und verändert. "Früher gab es bei Sitzungen hauptsächlich Büttenreden und weniger Musikgruppen", erinnert sich Engelmann. "Es kostete alles nicht so viel, die Säle wurden von den eigenen Leuten schmückt." Zum Feiern gab es früher mehr räumliche Möglichkeiten, meint der 91-Jährige und zählt Örtlichkeiten wie die Eickener Festhalle, das Sängerheim oder das Haus der Gesellschaft Casino auf. Bei den Karnevalsorden stellt Herbert Engelmann heute eine inflationäre Entwicklung fest, andererseits müssen auch in früheren Jahren recht großzügig Orden verliehen worden sein. Denn der langgediente Gardist hat eine eindrucksvolle Sammlung an der Wand hängen: schätzungsweise 350 bis 400 Orden aller Größen und Farben. Clowns, Sterne, Tanzmariechen - es gibt nichts, was nicht schon auf Orden abgebildet wurde. Sein Lieblingsstück stammt aus Köln - ein Orden, der "Kölle alaaf" rufen kann. Und in Köln fand immer seine Lieblingskarnevalsveranstaltung statt - die Sitzung der Roten Funken. "Wir sind bestimmt 30 Jahre lang hingefahren", sagt er.

Dem Gladbacher Karneval aber bleibt er treu. Noch heute begleitet er das Prinzenpaar in Uniform. Nicht jeden Tag, aber regelmäßig. Die Uniform war es übrigens, die ihn zuerst etwas abgeschreckt hatte. "Ich hatte 1948 eigentlich die Nase voll von Uniformen", sagt Engelmann. Also war er zuerst Mitglied ohne Uniform, die rot-graue Gardistentracht hat er später angelegt.

Wer sich für die vielen kleinen Geschichten rund um den Gladbacher Karneval interessiert, kann das Buch "Prinzengarde, Karneval und ich" bei Veranstaltungen der Prinzengarde der Stadt Mönchengladbach bekommen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort