Moers Ein Autor zwischen Thomas Mann und Loriot

Moers · Hanns-Josef Ortheil trug aus seinem aktuellen Roman "Das Kind, das nicht fragte" vor, der "intelligent unterhaltend" ist.

 Hanns-Josef Ortheil las in der Bibliothek.

Hanns-Josef Ortheil las in der Bibliothek.

Foto: Dieker

Kritiker vergleichen Hanns-Josef Ortheil schonmal mit Thomas Mann, da er die Charaktere der Figuren wie diese literarische Ikone beschreiben würde. Dabei sind die Romane des 62-jährigen Literaturprofessor nicht bleischwer, vor allem weil sie durch skurrile Situationen, die an Sketche mit Loriot oder Filmszenen mit Fernandel erinnern, zum Schmunzeln anregen. "Intelligente Unterhaltung" nennen viele diesen Stil, der Leser und Zuhörer in den Bann zieht. So kamen auch 130 Personen in die Bibliothek im Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum, um Hanns-Josef Ortheil live zu erleben. Eingeladen von der Moerser Gesellschaft zur Förderung des literarischen Lebens und begrüßt von dessen Vorsitzenden Mirella Weber, stellte der Bestsellerautor seinen Roman "Das Kind, das nicht fragte" vor, das im letzten Jahr erschien.

Wie sein bekanntester Roman "Die Erfindung des Lebens" ist auch dieses Werk stark autobiografisch. Thema ist die Sprachlosigkeit, die Benjamin März, das Alter Ego des Autors, langsam überwindet, um über das Sprechen das Außenseiterdasein abzulegen und ins Leben einzutauchen. Der Protagonist ist der jüngste von fünf Söhnen, das "fünfte Rad" am Wagen, wobei die älteren Brüder im Roman dominant sind, während sie im wirklichen Leben von Hanns-Josef Ortheil in den Kriegswirren ums Leben kamen.

Zu Beginn des Romans landet Benjamin März, der Ethnologe ist, in Catania auf Sizilien, um dort beim Ausstieg aus dem Flieger eine skurrile Situation zu durchlaufen, die — wie in einem Sketch von Loriot — sein weiteres Schicksal prägt. Im zweiten Kapitel blickt Benjamin März als Ich-Erzähler auf seine Kindheit zurück. Im Beichtstuhl spricht er mit einem Priester, überwindet sich und stellt die ersten Fragen seines Lebens, wobei alles ein wenig an Fernandel als Don Camillo erinnert, der mit Jesus am Kreuz spricht und seine Antworten erhält. Wie in den Kinofilmen aus den 1950er Jahren hört der Titelheld die Worte: "Du kennst die Antwort."

Durch das Sprechen lernt er, dass er ein Einzelgänger ist. Und er lernt, dass aus den Fragen und Antworten der Lebensfluss entspringt. Fast eineinhalb Stunden trug der Professor für "Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus" an der Universität Hildesheim vor, wobei viele Zuhörern hier und da ein Lächeln über die Lippen huschte, so wie es bei "intelligenter Unterhaltung" sein soll. Dann signierte er mit einem Lächeln sein neues Buch, das ein "Happy End" habe, wie er sagte. Selbst wenn das nicht in der Tradition eines Thomas Mann steht.

Info Am 1. April, 19.30 Uhr, liest Friedrich Dönhoff in der Bibliothek im Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum aus seinem Krimi "Seeluft" vor. Auch er ist von der Moerser Gesellschaft zur Förderung des literarischen Lebens eingeladen. Karten kosten zehn Euro und sind in der Bibliothek und in der Buchhandlung Thalia erhältlich.

(got)
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