Rhein-Kreis Neuss Der lange Weg zur Metropolregion

Rhein-Kreis Neuss · Kommunen und die Kammern von Industrie, Handel und Handwerk arbeiten seit mehr als drei Jahren an einem strategischen Bündnis in der Region. Kritiker bemängeln zu viel "Diplomatie" und zu wenig konkrete Ergebnisse.

Rhein-Kreis Neuss: Der lange Weg zur Metropolregion
Foto: W. Gabriel

Was verbindet die Menschen von Aachen bis Wuppertal und von Kleve bis Bonn, die Bewohner des Rhein-Kreises mit denen des Rheinisch-Bergischen Kreises? Die Metropolregion Rheinland - das wäre die richtige Antwort, zumindest, wenn es nach der Papierform geht. Im September 2011 nach Anstoß durch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein gestartet, versuchen Kommunen und Kammern der Initiative Metropolregion gemeinsame Ziele zu definieren, um die Region mit ihren rund 7,5 Millionen Menschen voranzubringen.

Rhein-Kreis Neuss: Der lange Weg zur Metropolregion
Foto: Andreas Baum

"In der regionalen Zusammenarbeit liegt unsere Zukunft", sagt Landtagsabgeordneter Rainer Thiel, SPD-Fraktionschef im Kreistag. Das Thema "Entwicklungspotenziale für das Rheinland" war gerade Schwerpunkt einer SPD-Klausurtagung. Dabei ging es um die Chancen von Bündnissen wie der Metropolregion, aber auch um Hindernisse. Im ganzen Land, so Thiel, organisierten sich die wirtschaftlichen Regionen neu. Das betreffe nicht nur das Ruhrgebiet. Das Problem aus Sicht der SPD: Die Metropolregion Rheinland, die entsprechend agieren könne, sei bislang kaum mehr als Arbeitstitel.

Eine Kernforderung der SPD: Der neue Regionalplan, der festlegt, wo künftig Flächen für Wohnen und Gewerbe im Regierungsbezirk Düsseldorf und damit auch im Rhein-Kreis entstehen sollen, müsse ebenfalls die Entwicklungen im Kölner Raum berücksichtigen. Bislang habe die SPD jedoch den Eindruck, dass sich die Bezirksregierung in dieser Richtung kaum bewege. Für den Rhein-Kreis könne das zum Problem werden. Köln und Düsseldorf entwickelten sich mit großer Dynamik - gleichzeitig fehlten der Gesamtregion die planungsrechtlichen Entscheidungsmöglichkeiten, um diesen Prozess zu gestalten.

Verschärft werde dies mit der bislang nur begrenzten regionalen Aktivität der Landeshauptstadt: "Düsseldorf hatte bislang die Tendenz, sich selbst genug zu sein", so Thiel. Auch Landrat Hans-Jürgen Petrauschke (CDU) kritisiert Planungsprozesse, die an Bezirksregierungsgrenzen enden. Wenn zum Beispiel in Köln für den zu erwartenden Bevölkerungszuwachs geplant werde, spielten die direkten Nachbarn Dormagen und Rommerskirchen, eigentlich begehrte Wohngebiete für Kölner, keine Rolle - nur weil sie zum Regierungsbezirk Düsseldorf gehören. Auch das könnte ein Thema für den Regio-Gipfel der Initiative Metropolregion sein. Ob das beim nächsten Treffen am 8. Mai aber so kommt, ist zweifelhaft. Was im Zuge des Aufbaus der Metropolregion Rheinland bislang passiert ist, macht auf Thiel eher den Eindruck "diplomatischer Beziehungen". Petrauschke vermisst die "richtig harten Themen" auf der Agenda. "Und die liegen buchstäblich auf der Straße. Die maroden Rheinbrücken der A1 und A40 sind doch nur die Spitze des Eisbergs", sagt der Landrat. Der Sanierungsstau im Straßensystem, aber auch die immer noch lückenhafte Versorgung mit schnellem Internet könnten die wirtschaftliche Entwicklung der Region nachhaltig bremsen.

Fraglich, ob der nächste Regio-Gipfel darüber diskutieren wird. Bislang wurden Kooperationen bei der Fernwärmeversorgung und in der Museumslandschaft als Themen genannt. "Auch wichtig - aber müssen wir uns nicht auf bedeutendere Fragen konzentrieren?", fragt Petrauschke.

Auch Thiel fordert mehr Entschlossenheit der Kommunen, zum Beispiel, um Strukturförderung in die Region zu holen: "Die brauchen wir zum Beispiel für eine Neuorganisation des Öffentlichen Personennahverkehrs oder die Sanierung maroder Straßen." Strukturförderung dürfe nicht allein dem Ruhrgebiet zugute kommen. Das Rheinland, das immerhin für 50 Prozent der Wirtschaftskraft in NRW stehe, müsse seine Interessen gegenüber Land und Europa vertreten. "Auch unsere Region steht vor einem Strukturwandel", sagt Thiel.

Ähnliche Fragen standen jetzt im Mittelpunkt einer Sitzung der Vollversammlung der IHK Mittlerer Niederrhein. Das Unternehmergremium hatte den Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel zum Gedankenaustausch eingeladen. IHK-Präsident Heinz Schmidt mahnte ein Standortinformationssystem für das Rheinland an, das die Stärken der Region und verfügbare Gewerbeflächen präsentieren könne. Bei der Entwicklung der Infrastruktur und der Ausweisung von Gewerbeflächen müsse großräumig gedacht werden, so Schmidt: "Wenn Düsseldorf gute wirtschaftliche Perspektiven hat, aber nicht genug Flächen für expandierende Unternehmen oder Neuansiedlungen, dann muss Gewerbeflächenpolitik eben über die Stadtgrenzen hinaus betrieben werden."

Geisel stimmte dem IHK-Präsidenten zu: "Wir in Düsseldorf wollen gute Nachbarn sein und setzen auf regionale Zusammenarbeit. Vor allem beim Erhalt und Ausbau der Infrastruktur müssen wir mit einer Stimme sprechen." Das Rheinland sei ein besonders dynamischer Wachstumsraum. "Auf dieses Wachstum muss auch mit entsprechenden Infrastrukturinvestitionen reagiert werden."

Aus IHK-Sicht gibt es dazu ganz konkrete Forderungen: Schmidt plädiert zum Beispiel dafür, die Rheinquerung der Straßenbahnlinie U 81 hin zum Messegelände und zum Flughafen Düsseldorf voranzutreiben. "Genauso wichtig ist die Verlängerung der Regionalbahn von Düsseldorf bis Mönchengladbach, Viersen oder sogar Venlo." Die U 81 sei für die Stadt Düsseldorf ein zukunftsweisendes Projekt, um die Pendlerströme zu bewältigen und den Niederrhein besser mit der Landeshauptstadt zu verbinden.

Wie Petrauschke und Thiel forderte bei der Vollversammlung auch IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Porschen mehr und nachhaltigeres Engagement für die Metropolregion: "Gipfeltreffen der Bürgermeister im Rheinland alleine reichen nicht aus." Die Metropolregion brauche eine Organisationsstruktur, die für Kontinuität sorgt und die gemeinsamen Projekte vorantreibt. Aus der Versammlung heraus wurde dem Düsseldorfer OB zudem vorgeschlagen, sich bei der nächsten Immobilienmesse ExpoReal in München mit den Niederrhein-Kommunen an einem gemeinsamen Stand zu präsentieren.

Thomas Geisel reagierte auf den Vorschlag zunächst zurückhaltend: "Wir sollten deutlich machen, dass wir uns auch als Region verstehen. Ob es am Ende auf einen gemeinsamen Stand hinausläuft, wird man sehen."

(NGZ)
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