Lokalsport Radsport-Nachwuchs wird dringend gesucht

Radsport · Bei den Profis ist ein deutlicher Aufwärtstrend zu erkennen, doch an der Basis herrscht weiter Flaute - auch im Grenzland.

Fahrer wie John Degenkolb und Marcel Kittel sorgen seit Monaten mit sportlichen Erfolgen für positive Schlagzeilen und positionieren sich bewusst als Radsportgeneration, die sich von der Geißel der Dopingskandale gelöst hat. In Gestalt ihres Arbeitgebers Team Giant-Alpecin gibt es nach dem Aus des Team Milram im Jahr 2010 auch wieder einen deutschen Profi-Rennstall, der bei den Top-Ereignissen des internationalen Radsportkalenders vertreten ist. Und nicht zuletzt steigt auch noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen ab Juli wieder in die Live-Berichterstattung von der Tour de France ein. Keine Frage, der Profi-Radsport erhebt sich aus den Trümmern seiner eigenen Vergangenheit.

Doch an der Basis scheint dieser Aufwärtstrend noch nicht anzukommen. Im Grenzland gibt es jedenfalls kaum noch Kinder und Jugendliche, die sich dem hohen Trainingsaufwand aussetzen wollen, um an Nachwuchsrennen teilzunehmen und dort erfolgreich zu sein. "Wir haben aktuell rund zehn Jugendliche, aber von denen fährt keiner Rennen. Wenn, dann nehmen die mit ihren Eltern an Radtouristikfahrten teil", sagt Wilfried Schmitz, Abteilungsleiter Radsport des SC Union Nettetal. Dabei braucht seine Abteilung bei aktuell etwa 50 Mitgliedern mittel- und langfristig frisches Blut, um überleben zu können. Auch die Verantwortlichen in einem Verein wie dem VfR Büttgen aus dem benachbarten Rhein-Kreis Neuss, der im sogenannten Sportforum über eine Bahn verfügt, hochkarätige Trainer beschäftigt und seit Jahren Ausnahmetalente hervorbringt, machen sich keine Illusionen. "Es gibt mit uns, Düsseldorf und Unna nur noch drei Vereine in ganz Nordrhein-Westfalen, die leistungsorientierte Nachwuchsarbeit leisten. Das ist in der Breite zu wenig, um Nachwuchs finden und an den Radsport zu binden", sagt Hans-Peter Nilges, Straßentrainer und Sportlicher Leiter des U 19-Bundesligateams der Büttgener. Er betont, dass der Radsport an der Basis trotz der Lebenszeichen bei den Profis immer noch mit dem Rücken zur Wand steht. "Wir müssen schwer kämpfen. Die Sünden an der Spitze schlagen mit Zeitverzögerung bei uns durch", erklärt Nilges. Deswegen führt für ihn der Weg mittelfristig nur über Kooperationen, um kleinere Vereine am leben zu halten, damit der Radsport auch in der Breite vertreten bleibt: "Mit den Möglichkeiten, die wir hier in Büttgen haben, können wir doch anderen Vereinen etwa bei der Trainingsplanung helfen, um Talente länger vor Ort zu halten. Die locken wieder andere Kinder an, wovon auch wir langfristig profitieren."

Denn aktuell ist es so, dass die talentiertesten Fahrer der Region ohnehin nach Büttgen gehen, um von der erstklassigen Möglichkeiten dort zu profitieren. Im vergangenen Herbst wechselte zum Beispiel in Gestalt von Philip Schäfer aus dem Viersener Stadtteil Dülken der einzig verbliebene leistungsorientierte Nachwuchsfahrer von Union Nettetal zum VfR und ist dort im U 19-Bundesligakader des Team Sportforum Kaarst-Büttgen. Ebenfalls aus Viersener kommt U 17-Fahrer Sebastian Stamm, der auch im vergangenen Jahr nach Büttgen wechselte. Er fuhr zuvor für den Krefelder Verein Staubwolke Fischeln. "Da bin ich meistens hinterher gefahren, weil es da es kein systematisches Training gab", erinnert sich Stamm. Auf Empfehlung der Krefelder Radsportlegende Hennes Junkermann wurden die Büttgener auf den 15-Jährigen aufmerksam. Seit er erstmals den kompletten Winter strukturiert trainiert hat, geht es steil aufwärts. In NRW gehört er zu den besten seiner Altersklasse, die Qualifikation für die U 17-DM Ende Juni in Frankfurt hat er schon in der Tasche.

"Irgendwann kommt der Punkt, da reicht es eben auch für ein Talent nicht mehr, mit dem Papa ein paar Trainingsrunden zu fahren", weiß auch Thomas Gref, beim VfR Büttgen für die Pressearbeit zuständig. Das ist natürlich auch Union-Abteilungsleiter Wilfried Schmitz klar, der deswegen auch keinem Talent Steine in den Weg legen würde. Gleichwohl hätte er nichts dagegen, wenn auch die ambitionierten Jugendlichen länger im Verein blieben. Schmitz ist zwar zufrieden mit der Trainersituation im eigenen Verein, doch gegen eine verstärkte Zusammenarbeit im Radsport hätte auch er nichts einzuwenden: "Nur wenn die Vereine aufwachen und alle mitspielen, können wir es schaffen, aus dem Loch herauszukommen." Wenn das klappt, könnten auch die zukünftigen Generationen Fahrer wie Degenkolb und Kittel hervorbringen.

(RP)
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