Lokalsport Wenn Flüchtlinge zu Freunden werden

Grenzland · Der Sport ist ein wichtiges Instrument zur Integration. Der FC Lobberich/Dyck hat mit Hilfe von Migranten eine Reserve gegründet.

 Egal, ob Deutscher oder Flüchtling: Beim FC Lobberich/Dyck spielt der Teamgedanke eine sehr wichtige Rolle.

Egal, ob Deutscher oder Flüchtling: Beim FC Lobberich/Dyck spielt der Teamgedanke eine sehr wichtige Rolle.

Foto: Stephanie Pleuß

Als der Flüchtlingsstrom nach Deutschland im Jahr 2015 seinen Höhepunkt erreichte, da war das Thema von den Fußballern des FC Lobberich/Dyck noch ganz weit entfernt. "Damals haben wir nur ab und zu Flüchtlinge gesehen, weil nahe unserer Anlage eine Unterkunft war. Aber da wären wir nie auf die Idee gekommen, welche anzusprechen", sagt Jonas Pleuß, Abteilungsleiter Senioren beim FC. Heute sieht das ganz anders. In den beiden Männer-Mannschaften der Dycker sind 15 Flüchtlinge im Alter von 18 bis 44 Jahren dabei, die regelmäßig am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen.

"Da sind inzwischen Freundschaften entstanden. Fußball ist ein Teamsport, das sind unsere Kumpels", betont Pleuß. Zwischen Weihnachten und Neujahr soll auch noch gemeinsam ein Jahresabschluss gefeiert werden. Dass es dabei zum Bowlingspielen geht, kann nicht wirklich verwundern. Denn Sport in all seinen Facetten eignet sich seit jeher für ein zwangloses Miteinander jenseits nationaler Grenzen, dank des meist internationalen Regelwerks nimmt auch das Problem möglicher Sprachbarrieren ab. So waren es in Deutschland neben vielen anderen Initiativen auch Sportverbände und Sportvereine, die sich vom Beginn der Flüchtlingskrise an darum bemühten, den Schutzsuchenden eine Integration in Deutschland zu erleichtern oder wenigstens für ein wenig Abwechslung in ihrem Leben zu sorgen, das sich oft nur zwischen Flüchtlingsunterkunft und Behörden abspielt.

Das lässt sich auch im Grenzland gut beobachten. So hat der Kreissportbund Viersen seit Herbst dieses Jahres in Hendrik Straub einen Referenten für das Thema Integration, und in Gestalt der KSG Oh-Do-Kwan Dülken und die DJK/VfL Willich sind gleich zwei Vereine aus dem Kreisgebiet vom Deutschen Olympischen Sportbund offiziell zum Stützpunkt für Integration benannt worden. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche Grenzland-Vereine, die für ihr Flüchtlings-Engagement vom Landessportbund finanziell unterstützt wurden. Aber auch Privatinitiativen bedienen sich des Sports, um die Menschen aus krisengeschüttelten Ländern wie etwa Syrien, Irak und Afghanistan zu erreichen. So zum Beispiel die Nettetaler Andreas Koll und Björn Rulands, die auf Flüchtlinge zugingen und das Fußballteam Nettetal United auf die Beine stellten.

Als unsere Redaktion vor genau einem Jahr erstmals über das ambitionierte Projekt berichtete, äußerte Initiator Andreas Koll den Wunsch, dass sich die Mannschaft möglichst bald auflösen möge. Nur vordergründig ein Widerspruch, denn bedeutet, dass alle Flüchtlinge in Vereinen untergekommen sind. Mitte dieses Jahres war es tatsächlich so weit. Nachdem im Laufe der Zeit bereits einige der United-Spieler beim BSV Leuterheide, beim TSV Kaldenkirchen oder bei Union Nettetal angeheuert hatten, machte nach einem weiteren Freundschaftsspiel gegen die Dycker Jonas Pleuß Nägel mit Köpfen. Nachdem er sich mit den FC-Vorstandskollegen abgesprochen hatte, baute er nach einer Trainingseinheit der Flüchtlings-Kicker auf dem Platz einen mobilen Schreibtisch auf und gewann neue Spieler für seinen Verein. "Dadurch ist es uns nach über zehn Jahren mal wieder gelungen, eine zweite Mannschaft zum Spielbetrieb anzumelden", erklärt Pleuß. Anfängliche Bedenken, die Männer aus einem völlig anderen Kulturkreis hätten eventuell Probleme damit, das deutsche Ligensystem und damit die Notwendigkeit regelmäßiger Einsätze zu verstehen, stellten sich als unbegründet heraus.

"Es gab schon zwei, drei Spieler, die wir nicht mehr gesehen haben. Aber die große Mehrheit ist regelmäßig beim Training und bei den Spielen und hat Spaß. Wir haben den Schritt nicht bereut", sagt Pleuß. Vier der Flüchtlinge sind sogar so gut, dass sie den Sprung in die erste Mannschaft geschafft haben, die in der Kreisliga C, Gruppe 2, im gesicherten Mittelfeld überwintert. Der Rest spielt mit den Deutschen in der Reserve, die früher in der Erstvertretung nicht zum Zuge kamen. Dass das Team in der ersten C-Liga-Gruppe mit nur einem Sieg auf dem letzten Tabellenplatz steht, trübt die Stimmung nicht. "Bei uns steht das Gewinnen nicht im Vordergrund. Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt sind uns wichtig", erklärt Pleuß. Nach anfänglicher Zurückhaltung haben sich die Flüchtlinge innerhalb ihres ersten Halbjahres bei den Dyckern in diese Gemeinschaft toll eingefügt. Jetzt geht es sogar nicht mehr nur um Sport, die Migranten tauschen sich mit ihren Vereinskameraden auch über ihre Probleme im Alltag aus. Etwa, wenn es um die Aufenthaltserlaubnis oder die Arbeitssuche geht. Wenn möglich, helfen die deutschen Mitspieler dann auch.

Seit sich United Nettetal aufgelöst hat, hat Andreas Koll die meisten seiner Schützlinge etwas aus den Augen verloren. Deswegen freut er sich, dass die Flüchtlingshilfe Nettetal weiter an die Integrationskraft des Sports glaubt und in der Vorweihnachtszeit auf ihn mit der Bitte zukam, ein Hallenfußball-Turnier für Flüchtlingsteams auf die Beine zu stellen. Gespielt wird am Samstag, 6. Januar, in der Lobbericher Hattrick Hall. "Ich freue mich auf ein Wiedersehen", betont Koll.

(RP)
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