Fünfter Jahrestag der Zerstörung Als "Katrina" New Orleans heimsuchte

Vineyard Haven/USA (RPO). Fünf Jahre ist es nun schon her, dass ein Hurrikan in New Orleans für Angst und Schrecken sorgte. Am 29. August 2005 verursachte "Katrina" schwerste Überschwemmungen in der US-amerikanischen Stadt. Zum Jahrestag wird nun Präsident Barack Obama erwartet.

2010: Sechs Jahre nach Katrina
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Bei einer Rede an der Xavier University will Obama den Einwohnern versichern, dass sich die Regierung weiterhin um die Golfregion kümmert - sowohl mit Blick auf den Wiederaufbau von New Orleans als auch auf die wirtschaftlichen Folgen der verheerenden Ölpest im Golf von Mexiko.

Mehr als 1600 Menschen kamen 2005 durch "Katrina" ums Leben, 80 Prozent der Stadt standen unter Wasser. Der damalige Präsident George W. Bush wurde heftig kritisiert, weil die Regierung nicht entschlossen genug auf die Katastrophe reagierte.

"Katrina" - der Name ist zum Synonym eines Desasters geworden, ähnlich wie Vietnam untrennbar mit dem Krieg verbunden ist. Die Bilder aus der überschwemmten Stadt New Orleans haben sich in das kollektive Gedächtnis der USA eingebrannt.

Menschen flüchteten auf Dächer

Dazu gehören Bilder von Menschen, die so von den Wassermassen überrascht wurden, dass ihnen nicht mal Zeit zum Anziehen blieb. Von Menschen, die spärlich bekleidet auf die Dächer ihrer Häuser flüchteten und von dort verzweifelt Fahnen mit der Aufschrift / 33607, Ravenkten. Von schwitzenden, hungrigen Menschen, die sich um die Lebensmittelpakete drängten, die von Soldaten aus Hubschraubern abgeworfen wurden. Von aufgeschwemmten Leichen, die in der Sonne verwesten und an denen sich streunende Hunde satt fraßen.

Solche Szenen spielen sich doch nur in Entwicklungsländern ab, nicht in den Vereinigten Staaten - das dachten viele Amerikaner vor dem 29. August 2005. Vor "Katrina". Der Hurrikan ist mit einem Sachschaden von schätzungsweise 80 Milliarden Dollar (60 Milliarden Euro) die bislang teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte der USA.

Die Ölpest im Golf von Mexiko verursachte ebenfalls Kosten in Milliardenhöhe, fällt aber als Umweltkatastrophe, also von Menschen verursachte Tragödie, in eine andere Kategorie - oder? Insbesondere die Menschen im Großraum New Orleans bezweifeln, dass es sich bei "Katrina" nur um höhere Gewalt handelte.

Warnungen stießen auf taube Ohren

Die Menschen in New Orleans wähnten sich sicher hinter ihren Hochwassermauern aus Beton. Die jahrelangen Warnungen von Experten, dass es nur eines großen Hurrikans bedürfe, um die überwiegend unterhalb des Meeresspiegels liegende Stadt zu überschwemmen, stießen auf taube Ohren. Am Ende reichten sogar die Ausläufer eines Hurrikans aus, um die Katastrophe herbeizuführen.

Als "Katrina" sich zu einem Hurrikan der höchsten Kategorie fünf auswuchs, wurde die Stadt erstmals in ihrer Geschichte evakuiert. Der damalige Bürgermeister Ray Nagin sprach von dem "Sturm, den die meisten von uns schon lange befürchteten". Doch dann schwächte sich "Katrina" zu einem Sturm der Stärke drei ab und drehte ostwärts. New Orleans wurde nur gestreift.

Viele Menschen, die im Stadtviertel French Quarter und im architektonischen Wahrzeichen der Stadt, dem Superdome, ausharrten, sahen in "Katrina" zunächst nur einen nicht richtig gezündeten Böller, der nach einem kurzen Zischen wieder ausgeht.

Doch dann begann das Wasser zu steigen. Was die Menschen nicht wussten war, dass die Wassermassen aus dem über die Ufer getretenen Lake Pontchartrain, einem See nördlich von New Orleans, gegen die Hochwassermauern der Entwässerungskanäle 17th Street und London Avenue drückten.

Außendämme brachen

Im Südosten der Stadt brachte die windgetriebene Sturmflut den Mississippi River Gulf Outlet Canal (MRGO), den unter dem Spitznamen "Mr. Go" bekannten Kanal, zum Überlaufen. Die Außendämme der Stadt brachen. Innerhalb weniger Stunden waren New Orleans und die in der Nähe der Metropole liegende Gemeinde St. Bernard überflutet.

Die meisten der 1600 Sturmopfer kamen bereits in der ersten Flutwelle ums Leben. Einige starben sofort - wie die 35 Menschen, die, bettlägerig oder an den Rollstuhl gefesselt, im Altersheim St. Rita in St. Bernard ertranken. Andere warteten tagelang vergeblich auf Hilfe - wie die 45 Menschen, deren Leichen später in der Kapelle des kommunalen Krankenhauses Memorial Medical Center in einem Vorort von New Orleans geborgen wurden.

Angesichts der Dammbrüche richtete sich die Wut der Einwohner von New Orleans zunächst auf das Pionierkorps des US-Heeres, das United States Army Corps of Engineers (USACE), das für die Wartung des Kanalsystems verantwortlich war. Doch nach wenigen Tagen wurde die Kritik am Krisenmanagement der gesamten Regierung immer lauter.

Einige Politiker stellten sogar in Frage, ob New Orleans, dessen Stadtteile überwiegend unter dem Meeresspiegel liegen, überhaupt wieder aufgebaut werden sollte. "Es sieht so aus, als könnte ein großer Teil des Ortes mit einem Bulldozer platt gewalzt werden," sagte etwa der damalige Präsident des Abgeordnetenhauses, Dennis Hastert.

Investitionen in Hurrikan-Schutz

Doch die Stadt und ihre Dämme wurden wieder aufgebaut. Die Regierung gab nach der Katastrophe mindestens 15 Milliarden Dollar für einen besseren Schutz gegen Hurrikane aus. Im vergangenen Jahr lebten in New Orleans laut einer Studie der Beratungsfirma GCR Consulting bereits wieder 350.000 Menschen, das entspricht knapp 80 Prozent der Einwohnerzahl vor der Katastrophe.

Die Amerikaner haben versucht, aus ihren Fehlern zu lernen. Als Hurrikan "Gustav" die Stadt im September 2008 bedrohte, wurde unverzüglich deren Evakuierung angeordnet. Es gab ein Riesenaufgebot an Bussen, die die Bewohner ins Landesinnere brachten. Die meisten Menschen leisteten der Aufforderung, die Stadt zu verlassen, anstandslos Folge.

Das Pionierkorps wird nicht müde, den Einwohnern von New Orleans zu versichern, dass die Dämme stärker sind als je zuvor. Doch die Zweifel sind nach "Katrina" nicht mehr auszulöschen.

(apd/das/bs)
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