Vatikan und Judentum Der schlecht beratene Papst

Düsseldorf (RP). Im Vatikan betont man das große Anliegen der Weltkirche, die Einheit aller Christen voranzutreiben: "Roter Faden dieses Pontifikats." Spekulationen über antikatholische Kreise in Jerusalem, den Besuch des Pontifex in Israel zu hintertreiben und aus Negativ-Schlagzeilen zu kommen.

Rom! - Audienz beim Papst
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Im Zentrum der Römischen Weltkirche, hinter den Leoninischen Mauern Roms, wird die Geschichte einer zwei Jahrtausende alten Institution erlebbar. Die Päpste mögen kommen und "zurück ins Haus des Vaters" (Johannes Paul II. an seinem Todestag) gehen ­ die Kirche aber bleibt nach biblischer Lesart bestehen bis zum Ende der Tage. Jeder Papst, also auch der gegenwärtige Pontifex maximus, ist verpflichtet, die Einheit der Christen zu bewahren oder, wo sie nicht existiert, wiederherzustellen, getreu dem Auftrag "Ut unum sint", "Auf dass sie eins werde".

Vatikan-Insider, welche den vor allem in Deutschland und Israel aufgeflammten Zorn über die Versöhnungsgeste Benedikts XVI. gegenüber vier teilweise extrem verwirrten Bischöfen der rückwärtsgewandten Bruderschaft Pius X. beobachten, brachen gestern trotz aller Entgeisterung über grobe Fahrlässigkeiten in der Kurie eine Lanze für den Papst.

Zwar habe sich die Weltkirche einen medienpolitischen Supergau eingebrockt, weil ein ehrbares Papst-Anliegen (Schritte zur Wiedereingliederung abtrünniger Sonderlinge bzw. historischer Dummköpfe) in einen diffusen Antisemitismus-Vorwurf gegen die Kirche gemündet sei. Dennoch bleibe es dabei: Der Rote Faden des am 19. April 2005 begonnenen Pontifikats Benedikts XVI. sei: die Einheit Roms mit der christlichen Orthodoxie; Vorankommen in der Ökumene mit den Kirchen der Reformation; schließlich "die Sache mit den vorkonziliar fixierten Anhängern des verstorbenen französischen Kirchenrebellen Lefebvre" in Ordnung zu bringen.

Um Letzteres zu erreichen, hat der Papst eine Vorleistung, eines Geste des guten Willens, der ausgestreckten Hand erbracht. Allerdings registrieren Vatikan-Experten irritiert eine politische Naivität sowohl bei dem unbestritten großen Theologen auf dem Stuhl Petri, als auch bei dem besonders ins Kreuzfeuer massiver Kritik geratenen Kurienkardinal Hoyos. Hoyos, ein mediengewandter, in sieben Sprachen bewanderter Kolumbianer, hatte die Verhandlungen mit den Lefebvre-Bruderschaftlern geführt und in der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" treuherzig bekundet, von dem törichten Holocaust-Leugner in den Reihen der Pius X.-Gruppe nichts gewusst zu haben: "Hoyos hätte zumindest wissen müssen, dass diese religiös extrem Gesinnten komische Vögel sind."

Der Papst habe, wie das seine Art sei, sanft versucht, die Pius-Bruderschaftler auf Konzilslinie zu bringen und dabei die politische Tragweite seines Tuns naiv unterschätzt. Da hätten wohl zwei alte Herren, hier der demnächst 80-jährige Kardinal Hoyos, dort der Papst, "der auch nicht mehr der Jüngste ist", im Sinne des Jesus-Auftrags zur Einheit schnell noch ein paar Dinge mit den Lefebvre-Abtrünnigen bereinigen wollen.

Im Vatikan kursieren jedoch auch Spekulationen, dass es in Israel hochrangige Staatsvertreter darauf anlegen könnten, den für dieses Jahr vorgesehenen Besuch des Papstes im Heiligen Land zu hintertreiben. Das historisch unhaltbare Holocaust-Leugnen eines Mitglieds der Pius-X.-Bruderschaft werde womöglich bewusst vermischt mit dem wichtigen Anliegen Benedikts XVI. zur Herstellung von so viel christlicher Einheit wie möglich: "Den Holocaust zu leugnen, ist ein Zeichen von Schwachsinn, das hat aber nichts zu tun mit der kirchlich und religiös motivierten Aufhebung der Exkommunikation und auch nichts mit der Ernennung eines erzkonservativen Geistlichen zum Weihbischof im österreichischen Linz. Wenn die Kirche jeden Schwachkopf exkommunizierte, wäre sie stark dezimiert."

In Jerusalem gebe es einen stark anti-katholischen Zweig, dem es gelegen komme, dass die "Kriegsverbrechen Israels im Gaza-Streifen" jetzt aus den Schlagzeilen der internationalen Presse geraten. Fazit aus vatikanischer Sicht: Eine innerkirchliche Bereinigungsaktion führte zu einer unglücklichen Verkettung, zu falschen Kurien-Reaktionen, zu einer negativen politischen Kettenreaktion.

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