Urteil in Hamburg Zwölfeinhalb Jahre Haft für Trickbetrüger

Hamburg · Vor dem Enkeltrick wird immer wieder gewarnt. Nun ist in Hamburg ein Chefbetrüger verurteilt worden. Sein Luxusleben wird er auf absehbare Zeit nicht fortsetzen können. Er scheint aber ein härteres Urteil befürchtet zu haben.

 Der Angeklagte zwischen seinen Anwälten (Archiv).

Der Angeklagte zwischen seinen Anwälten (Archiv).

Foto: Axel Heimken/dpa

Sie hießen Ingeborg, Oswald oder Edeltraud, und er nannte sich Peter, Sönke oder Bernd. Für seine Versuche, ältere Menschen um ihr Geld zu bringen, schlüpfte er in verschiedene Rollen: Mal war er Schwager, mal Enkel, mal Neffe oder Bruder. Teilweise gab er sich sogar als Rechtsanwalt oder Polizist am Telefon aus. In zweieinhalb Jahren hat es 16 Mal geklappt, 24 Mal scheiterten die Versuche, Geld von seinen Opfern mit dem berühmt-berüchtigten Enkeltrickbetrug zu ergaunern.

Wegen 40 Fällen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in mehreren Ländern sowie eines schweren Falls von Bestechung eines Justizbeamten während der U-Haft ist ein 30-jähriger Pole am Montag vom Landgericht Hamburg zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte 14 Jahre Haft gefordert, die Verteidigung eine Strafe von maximal sechseinhalb Jahren.

Angeklagter bittet um mildes Urteil

"Bei Ihnen liefen die Fäden des Netzwerks zusammen", sagte der Vorsitzende der Strafkammer, Bernd Steinmetz, zu Beginn der über zweistündigen Urteilsverkündung. Der 30-Jährige habe von Polen aus agiert und sein luxuriöses Leben mit "Ferrari und Designerkleidung" mit der Beute finanziert. Mindestens 300.000 Euro Profit habe er gemacht. Laut Urteil muss der Angeklagte drei geschädigten Frauen, die sich zu einer Zivilklage entschlossen hatten, rund 47.000 Euro zurückzahlen.

Der schwarzbärtige Mann mit der Halbglatze bat vor dem Urteil noch um Milde: Es tue ihm sehr leid, er wolle sein Leben in den Griff bekommen und für seine Kinder da sein. Lässig in dunklem Kapuzenpullover und hellgrauer Jogginghose gekleidet, schien er später das Urteil erleichtert aufzunehmen, hatte er wohl mit einem höheren Strafmaß gerechnet: Zig Mal drehte er sich während der Verkündung um, lächelte oder zwinkerte seinen Bekannten unter den Zuschauern zu. Wäre jeder Fall einzeln zu urteilen gewesen, so zählte der Richter auf, hätte der Mann mehr als 100 Jahre hinter Gitter gemusst.

"Sie haben die Hilfsbereitschaft ausgenutzt"

Steinmetz bezweifelte das angegebene Alter von 30 Jahren, war sich aber dafür sicher, dass nicht alle Fälle im Prozess ans Licht gekommen sind. Die Strafkammer sei sich sicher, dass die Dunkelziffer sehr hoch sei. "Sie haben die Hilfsbereitschaft und die emotionale Verbundenheit ausgenutzt - Dinge, die wir in unserer Gesellschaft besonders schätzen", warf der Richter dem Angeklagten vor.

Das Beuteschema des Mannes war nach Überzeugung der Kammer fast immer das gleiche. Der Mann fungierte demnach als Drahtzieher: In der Bandensprache "Keiler" genannt, klapperte er digitale Telefonverzeichnisse in mehreren Städten nach besonders altmodisch klingenden Vornamen in eher "wohlhabenden Stadtteilen" ab und meldete sich bei seinen Opfern zwischen Ende 60 und fast 100 Jahren per Telefon oftmals mit der Fangfrage: "Rate mal, wer hier ist?"

Prozess dauerte ein Jahr

In seiner Verwandtenrolle hatte er dann meistens einen dringenden Notartermin für einen Immobilienkauf vorgetäuscht und um eine hohe Geldsumme gebeten. Trotz mancher Zweifel kam es in vielen Fällen zur Geldübergabe in bar, professionell organisiert von einem "Logistiker". Der "Abholer" spielte dann den "leider verhinderten" Verwandten und nahm seinem Opfer in einem Fall sogar 100.000 Euro ab.

Wurde der meist "Herr Schmidt" genannte "Abholer" von der alarmierten Polizei vor Ort festgenommen, sorgte der Bandenchef schnell dafür, dass das Betrugstrio wieder komplett wurde. Die ergaunerte Summe wurde dann geteilt, er strich dabei meist die Hälfte des Betrags ein.

Dass der Angeklagte am 48. Verhandlungstag ein weitgehendes Geständnis ablegte, wertete der Richter zwar zu Gunsten des Angeklagten, bezeichnete es aber als "weniger wert, als wenn es gleich am Anfang gekommen wäre". Die lange Beweisaufnahme sei für viele Zeugen sehr belastend gewesen, kritisierte Steinmetz. Das verlorene Geld hätten die Senioren für ihre Kinder, Enkel, das Altersheim gespart - oder "für das eigene Begräbnis".

(wer)
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