Udo Jürgens feiert Geburtstag Mit 80 ist noch lange nicht Schluss

Wien · Als Künstler hat er alles erreicht - mehr als 1000 Songs komponiert, mehr als 100 Millionen Tonträger verkauft. Von der Bühne will Udo Jürgens dennoch nicht lassen. Nach seinem 80. Geburtstag am Dienstag wartet eine große Tournee.

Udo Jürgens: Ein Porträt in Bildern
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Udo Jürgens - Erinnerungen an ein erfülltes Leben

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Die Zahl 80 eigne sich nicht für ein Lied, hat Udo Jürgens kürzlich gesagt. Ganz anders als die 66 — in dem Alter könne man noch alles machen, sich trennen, sich verlieben, neu anfangen. Mit 80 würde man da schnell als Spinner abgetan. Vielleicht verzichtet er auch deshalb auf die Zahl und nennt sein neues Album halbironisch "Mitten im Leben" — Jürgens will doch nicht als Spinner gelten, wenn er mit 80 auf Konzerttour geht, also einfach so weitermacht wie gewohnt. Aber genau das ist es, was ihn auszeichnet: Udo Jürgens war irgendwie immer da, und er hat immer das getan, was er am besten konnte. Und er wird es wohl weiter tun, so lange er kann - sein 80. Geburtstag am Dienstag ist da nur eine Wegmarke.

Loslassen kommt für Udo Jürgens nicht in Frage, ist keine Option, war es nie. Seit 60 Jahren steht er auf der Bühne, singt seine Lieder, begeistert das Publikum, badet in Applaus. "Das Glück ist ein flüchtiger Vogel", sagte er im Gespräch mit der "Zeit". Trotzdem oder gerade deshalb ist er dem Glück zeitlebens hinterhergejagt, davon zeugen unzählige Liebschaften und ein rastloses, künstlerisch extrem ertragreiches Leben. Mehr als 1000 Songs hat Jürgens geschrieben, mehr als 100 Millionen Tonträger verkauft. Und doch kam niemals der Punkt, an dem es genug gewesen wäre. Genug Glück, genug Liebe. Die Suche danach treibt ihn weiter, hält ihn jung und wach.

Erreichen kann Udo Jürgens nicht mehr viel, nur die Legende zementieren. Unter den deutschsprachigen Sängern ist er der Ausnahmestar, der nicht nur alles selbst komponierte, sondern auch erfolgreiche Lieder schrieb für Shirley Bassey und Frank Sinatra. Letzterer gab das Stück "If I Never Sing Another Song" weiter an Sammy Davis Jr., der damit fortan seine Shows beendete - es gibt wahrlich schlechtere Adressen. Dreimal nahm Jürgens am Eurovision Song Contest teil, mit "Merci, Chérie" gewann er 1966 für sein Heimatland Österreich. Mit Bambis, Goldenen Europas und anderen Preisen könnte er ein mittelgroßes Anwesen dekorieren, wenn er wollte. Will er aber nicht.

Udo Jürgens singt bei der Sparkassen-Gala in Duisburg
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Viel wichtiger ist Jürgens die Anerkennung, dass seine Lieder sich einen festen Platz in der deutschen Kulturgeschichte erobert haben. Evergreens wie "Griechischer Wein" (1974), "Ein ehrenwertes Haus" (1975), "Aber bitte mit Sahne" (1976), "Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an" (1978), "Ich war noch niemals in New York" (2001) sind nicht nur melodie-selige Gassenhauer, sondern illustrieren auch gesellschaftliche Themen, geistreich, kritisch, punktgenau. Jürgens hatte immer ein Gefühl für das, was die Menschen bewegt, und es geschafft, das in seine Kunst umzusetzen - die eines Erzählers, der seine Geschichten in Chansons verpackt. "Man vergisst oft, dass ich in meinen Liedern mich doch oft bemüht habe, Haltung zu zeigen", sagt er in der TV-Doku "Der Mann, der Udo Jürgens ist". "Ich bin Unterhaltungsmusiker. Das beinhaltet auch das Wort ,Haltung'." Dass die Menschen ihm zuhören, in einer Branche, die auf Leichtigkeit abzielt, das zeigt die Dimension seiner Könnerschaft. Österreich hat ihn als Professor geehrt — aber das Akademische wird ihm nur teilweise gerecht, weil es die Lebenslust ausschließt.

Denn das andere große Thema des Udo Jürgens, neben der Musik, ist die Liebe. "Meine Geliebten waren immer zufrieden mit mir, die Ehefrauen weniger" ist so ein Satz von ihm, ein anderer "Treue ist keine Frage des Charakters, sondern der Gelegenheiten". Jürgens war zweimal verheiratet, hat vier Kinder von drei Frauen und eine unbekannte Zahl von Affären. Er macht keinen Hehl daraus, aber er scheint auch nicht sonderlich stolz darauf zu sein. Das Leben war halt so, wie es war, er hat sich eben schnell verliebt, sagt Jürgens, und ist immer gut damit gefahren — so gut, dass ihm niemand wirklich böse sein mag. Oder ihn gar beneidet: Dafür ist er zu höflich, zu lässig, zu sehr er selbst. Einer, der zwar immer da war, der aber auf eine gewisse Weise nie richtig dazugehört hat — weil er eine Ausnahme-Erscheinung ist, ein Udo-Jürgens-Darsteller.

2011: Udo Jürgens - kein bisschen müde
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Die Sache mit dem Bademantel zum Beispiel. Weil er bei seinem ersten abendfüllenden Konzert zur Zugabe im weißen Bademantel erschien und die Menschen damals darüber völlig aus dem Häuschen gerieten, läuft er seither jedes Mal am Ende seiner Show im Bademantel auf. Die Fans lieben ihn dafür, und Jürgens tut alles, damit das auch so bleibt. Aber irgendwie befremdlich ist das schon: Ein 80-Jähriger im Bademantel auf der Bühne? Nur Udo Jürgens schafft es, das normal wirken zu lassen.

Die Tournee im nächsten Jahr soll kein Abschied sein. Abgesehen von einigen Alters-Wehwehchen fühle er sich fit, bekannte Jürgens unlängst, nicht wie 80, sondern eher wie 51. Wahrscheinlich ist die Bühne für ihn der beste Weg, dem Alter zu trotzen. "Wenn du ein Abschiedslied, ein richtig gutes machst, dann muss man den Tod durchhören durch das Lied", sagte er. "Und darüber kann ich nicht singen in diesem Moment." Die Zahl 80 eignet sich ja ohnehin für kein Lied - und die 100 klingt sowieso viel besser.

(RP)
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