Im "neuen Dschungel" von Calais Frankreichs Premierminister Valls besucht Flüchtlinge in Calais

Calais · Seit Jahren campieren Flüchtlinge in Calais. Sie wollen nach Großbritannien, hoffen dort auf bessere Chancen. Im "neuen Dschungel" von Calais will Paris mehr helfen - und zeigt Härte gegen Schleuser.

Flüchtlinge stürmen zum Eurotunnel in Calais
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Ansturm auf den Eurotunnel in Calais

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Foto: afp, PH/vel

Die Nächte können hier kalt sein, auch im August. Calais liegt direkt am Meer, Kanal, Nordfrankreich. Für Tausende Flüchtlinge ist das bitterkalt. Sie kommen aus Darfur oder Afghanistan, Eritrea oder dem Sudan.

Die am häufigsten geschätzte Zahl ist 3000. So viele Migranten sollen in Calais ausharren. Das Problem ist seit Jahren bekannt: Die Flüchtlinge hoffen darauf, irgendwie illegal nach Großbritannien zu kommen. Auf einem der Lastwagen, mit einem der Züge, die hier für die 50 Tunnelkilometer nach Großbritannien abgefertigt werden. Manche zahlen für den riskanten Weg unter dem Kanal hindurch mit dem Leben.

In Großbritannien vermuten viele Flüchtlinge einfachere Bedingungen. Einige haben dort Verwandte, andere sprechen nur Englisch. Deswegen stellen sie keinen Asylantrag in Frankreich, obwohl sie nach Ansicht des französischen Innenministeriums gute Chancen auf Anerkennung hätten - und bessere Möglichkeiten für eine Unterkunft als in Calais.

Dort ist der "neue Dschungel" entstanden. Ein Gelände, auf dem zuvor verstreute Camps zusammengefasst wurden. Hilfsorganisationen fordern immer wieder mehr Unterstützung. Es fehlt an Zelten, Kleidung, Nahrungsmitteln. Gelegenheit um zu duschen oder vielleicht etwas zu essen, gab es bisher nur in einem Tageszentrum, das abends geschlossen wird - bis auf wenige Plätze für Frauen.

EU-Kommissar Frans Timmermans und Frankreichs Premierminister Manuel Valls haben bei ihrem Besuch in Calais am Montag Aussicht auf eine kleine Verbesserung der gespannten Lage mitgebracht. Mit gut fünf Millionen Euro aus Brüssel soll bis Anfang 2016 ein etwas festeres Lager entstehen, mit Platz für 1500 Menschen in Zelten für jeweils zwölf Personen.

Flüchtlinge in Calais auf der Flucht durch den Eurotunnel
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So versuchen die Flüchtlinge, in Calais zum Eurotunnel zu gelangen

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Valls gilt vielen in Frankreich als Hardliner, ein Rechter unter den regierenden Sozialisten. Auch in Calais lässt er am Montag keine Zweifel daran, dass er konsequent gegen Schleuser und illegale Einwanderung vorgehen will.

Die Arbeit der Sicherheitskräfte unterstützt der frühere Innenminister demonstrativ. Schon tausendfach haben Polizisten in diesem Jahr Flüchtlinge von Lastwagen geholt. Praktisch jede Nacht versuchen Migranten, die immer stärker werdenden Zäune zu überwinden, um einen der Lastwagen zu erwischen. Die Betreibergesellschaft hat bis zu 2000 Versuche in einer Nacht gezählt.

Flüchtlinge: In diesen Regionen der EU ist der Andrang besonders groß
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Flüchtlinge: In diesen Regionen der EU ist der Andrang besonders groß

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Foto: dpa, kc jak

Briten und Franzosen sollen künftig mit einer gemeinsamen Einsatzzentrale effektiver arbeiten können. Die britische Grenze wird faktisch in Nordfrankreich bewacht. Kontrollen finden bereits in Calais statt. Grundlage ist ein Vertrag aus 2003, der schon engere Zusammenarbeit gegen Schleuser und illegale Einwanderung vorsah.

Die Polizei sieht sich allerdings schlecht gerüstet, Transportverbände bemängeln die Lage für Fahrer. Der Branchenverband FNTR spricht von Umsätzen, die um 30 bis 50 Prozent gesunken seien. Zudem würden Fahrzeuge und Waren beschädigt, es gebe Aggressionen gegen Fahrer. In Großbritannien drohen Verfahren wegen Schlepperei. Pro Migrant, der auf oder in einem Lastwagen gefunden wird, können bis zu 2900 Euro fällig werden.

Verschärft wird die Lage für viele Lastwagenfahrer durch einen seit Wochen brodelnden Konflikt im Hafen von Calais: Seeleute des Fährdienstes MyFerryLink widersetzen sich Plänen des Tunnelbetreibers Eurotunnel, zwei Fährschiffe an einen dänischen Wettbewerber abzutreten. Streik und Blockaden führten auf beiden Seiten des Tunnels schon zu Verkehrschaos. Auch in der Nacht zu Montag war der Hafen von Calais wieder zeitweise blockiert.

(dpa)
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