Proteste in der Ukraine Der Maidan leert sich, die Wucht der Revolution verfliegt

Kiew · Die EU bemüht sich um die Ukraine. Kiew aber reagiert allergisch auf Drohungen mit Sanktionen. Und die Demonstranten auf dem Maidan? Ihnen scheint nach monatelangen Protesten allmählich die Puste auszugehen. Ein Bruchteil verharrt auf dem Platz.

Die Wucht der Revolution scheint verflogen
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Ein ältere Frau spaziert über den Maidan. Menschenmassen behindern sie nicht mehr. Ein Kaffee-Verkäufer verkauft keinen Kaffee mehr. Und eine Frau wird ihre angepriesenen Süßwaren kaum noch los.

Vor nicht allzu langer Zeit verschickten Fotografen andere Bilder aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew: Zu Hunderttausenden drängelten sie sich auf dem Maidan, dem zentralen Platz der Metropole und Symbol des Widerstandes gegen Präsident Viktor Janukowitsch. Die Demonstranten trotzten der Eiseskälte — über Tage, Wochen und Monate. Angebtrieben von dem Wunsch, die verhasste Regierung zum Sturz zu zwingen.

Elan erloschen, Kraft schwindet

Doch ihr Elan scheint erloschen und ihre Kraft zu schwinden. Der Maidan hat sich geleert. Und die Wucht der Revolution ist verflogen. Das berichten Korrespondeten aus Kiew. Ein Grund dürfte die Tatsache sein, dass das Ausland den diplomatischen Druck auf Janukowitsch erhöht.

Am Mittwoch reist die EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton nach Kiew. Sie will unter anderem mit Janukowitsch Krisengespräche führen und über ein Hilfspaket für die Ukraine verhandeln. Die Europäische Union will damit einer Übergangsregierung helfen, Reformen einzuleiten und Präsidentenwahlen vorzubereiten.

Bereits zuvor hatte sich der Konflikt zunehmend von der Straße ins Parlament verlagert. In der vergangenen Woche hatte das Parlament als Zugeständnis an die Opposition die umstrittenen Gesetze annulliert, mit denen vor zwei Wochen die Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt worden war. Zudem war das gesamte Kabinett zurückgetreten.

Finanzpaket an Forderungen knüpfen

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok forderte, ein mögliches Finanzpaket für die Ukraine an eine Verfassungsänderung und Wahlrechtsreform zu knüpfen. "Das Inkrafttreten der Verfassung von 2004 und Neuwahlen müssen die Bedingungen für Hilfsgelder aus der EU sein", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Macht des Parlaments müsse gestärkt und die des Präsidenten geschwächt werden. Das Wahlrecht müsse zuvor überarbeitet werden, da ansonsten die Gefahr von Manipulationen zu groß sei, erklärte Brok.

Eine Parlamentsdebatte in Kiew über die Änderung der Verfassung war am Dienstag ergebnislos verlaufen. Am heutigen Mittwoch sollten die Beratungen über eine Einschränkung der Macht des Präsidenten fortgesetzt werden.

Der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko drängt derweil die Europäische Union mit Nachdruck zu Vermittlungen im erbitterten Machtkampf mit Präsident Janukowitsch gedrängt. "Jemand sollte den Verhandlungen folgen und alle Verpflichtungen und Zusagen festhalten", sagte Klitschko nach einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Ashton.

Klitschko spricht von "Unehrlichkeit"

Klitschko warf der ukrainischen Führung "Unehrlichkeit" vor. "Das wichtigste Ziel ist, effektive Maßnahmen zur Lösung der Krise einzuleiten, um zu verhindern, dass die Situation außer Kontrolle gerät", sagte der Ex-Boxweltmeister einer Mitteilung zufolge.

Die Ukraine wird seit Ende November von Massenprotesten erschüttert. Anlass war die Entscheidung der Führung in Kiew, ein über Jahre mit der Europäischen Union ausgehandeltes Assoziierungs- und Freihandelsabkommen nicht zu unterzeichnen. Dies geschah offenbar auf massiven Druck Moskaus.

Gegner forden Janukowitschs Rücktritt

Sie protestieren für einen Westkurs der früheren Sowjetrepublik und gegen die von Janukowitsch vorangetriebene engere Anbindung an Russland. Nachdem der Präsident Mitte Januar demokratische Freiheiten eingeschränkt hatte, eskalierten die Proteste. Mindestens vier Menschen starben, mehr als 500 wurden verletzt. Die repressiven Gesetze wurden daraufhin annulliert.

Die Regierungsgegner fordern außer Janukowitschs Rücktritt und Neuwahlen auch eine Beschneidung der verfassungsrechtlichen Vollmachten des Präsidenten. Im Parlament forderte Klitschko: "Lasst uns die Diktatur beenden. Lasst uns zu der Verfassung zurückkehren, die Abgeordnete zu Entscheidungsträgern macht und nicht zu Abnickern."

(nbe)
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