Alexis Tsipras und die linksradikale Syriza-Partei Senkrechtstarter lässt Griechenland taumeln

Düsseldorf · Senkrechtstarter, Rattenfänger, Protestheld – unterschiedlicher könnte die Liste der Beinamen für Alexis Tsipras nicht sein. Der 37-jährige Chef der linksradikalen Syriza-Partei polarisiert in Griechenland wie kaum ein zweiter. Der Politstar befindet sich mit seiner Partei im Umfragehoch.

Alexis Tsipras - selbsternannter Retter Griechenlands
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Das ist Alexis Tsipras

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Foto: dpa, sp ase tba

Senkrechtstarter, Rattenfänger, Protestheld — unterschiedlicher könnte die Liste der Beinamen für Alexis Tsipras nicht sein. Der 37-jährige Chef der linksradikalen Syriza-Partei polarisiert in Griechenland wie kaum ein zweiter. Der Politstar befindet sich mit seiner Partei im Umfragehoch.

Seit Wochen ringen die Parteien in Griechenland um eine stabile Regierung. Ohne Erfolg. Am 17. Juni wird es eine Neuwahl geben. Die politischen wie wirtschaftlichen Zukunftsaussichten sind mehr als düster. Die Ratingagentur Fitch stufte am Donnerstag die griechische Kreditwürdigkeit auf CCC herab — in dieser für das Land und den Zusammenhalt der Euro-Zone bedrohlichen Gemengelage verschafft sich ein junger Mann Gehör - Alexis Tsipras.

Der Chef der linksradikalen Syriza-Partei feierte bei den Parlamentswahlen am 6. Mai einen großen Erfolg: Von 4,6 auf 16,5 Prozent schnellte der Anteil seiner Kommunisten beim Wahlgang hoch. Tsipras Syriza wurde zweitstärkste Kraft. Nur die Partei Nea Dimokratioa (ND) vereinte mehr Wählerstimmen hinter sich (18,9 Prozent).

Kometenhafter Aufstieg

Ein kometenhafter Aufstieg für den 37-Jährigen. Geboren wurde Tsipras wenige Tage nach dem Ende der Militärdiktatur, im Juli 1974. Er wuchs in Athen auf, unweit des Stadions von Panathinaikos. Seine Liebe zum Fußball pflegt Tsipras noch heute, er besucht jedes Heimspiel. Früh schloss er sich der der Kommunistischen Jugend an. 1999 wurde er Jugendsekretär der linksökologischen Partei Synaspismos, seit 2008 ist er Vorsitzender von Syriza.

Tsipras eilt von Erfolg zu Erfolg. Und ein Ende seines Höhenflugs scheint nicht in Sicht. Umfragen zufolge kann seine Partei sogar damit rechnen, bei den bevorstehenden Wahlen im Juni stärkste, politische Kraft zu werden. Bisher hatten die Traditionsparteien ND und Pasok das Regierungs-Rennen unter sich ausgemacht. Tsipras könnte diese Phalanx in wenigen Wochen durchbrechen.

Retter einer gebeutelten Nation

Dass er das Schicksal Griechenlands in seiner Hand hält, prägt sein Auftreten. Er sieht sich als Retter einer gebeutelten Nation. So die Eigenwahrnehmung. Sein Fremdbild weicht von dem ab. Binnen kürzester Zeit hat er es geschafft, die politischen Führungen der EU gegen sich aufzubringen.

"Wir sind fest überzeugt, dass die Rettung unseres Landes nur durch die Zurückweisung barbarischer Maßnahmen gelingen kann", lautet ein Leitspruch des smarten Ingenieurs zur verfahrenen Situation im Lande der Hellenen. Ökonomen gehen davon aus, dass ein Wahlsieg Syrizas den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone bedeuten könnte. Nicht wenige sehen in ihm einen politischen Rattenfänger, der den verunsicherten Bürgern das Blaue vom Himmel verspricht.

"Barbarisches Spardiktat"

Tsipras will das "barbarische Spardiktat", das Athen von seinen internationalen Geldgebern auferlegt wurde, zu Fall bringen. Die engsten Verbindungen unterhält die Syriza zu den Linken in Deutschland und zur französischen Linksfront von Jean-Luc Mélenchon, der im ersten Durchgang der dortigen Präsidentschaftswahl rund elf Prozent der Stimmen erhielt.

Als Tsipras in der vergangenen Woche entsprechend den Gepflogenheiten als Chef der zweitgrößten Partei selbst vorübergehend den Auftrag zur Regierungsbildung erhielt, begab er sich zu Fuß und ohne Krawatte zu Präsident Karolos Papoulias. Er sprach von einem "historischen Moment" und von seinem Gefühl der "Verantwortung".

Widerstand gegen Obristenregime

Die definiert er aber nicht so, dass die von der vorherigen Regierung getroffenen Zusagen gegenüber den Geldgebern einzuhalten seien - sondern aus der langen Tradition des griechischen Widerstandes, gegen die Weltkriegs-Besatzer und gegen das Obristenregime in den 70er Jahren.

Der 37-Jährige will ein Bündnis aus linken Parteien schmieden, die wie seine Syriza das Land "vom Vertrag unseres Bankrotts" befreien wollen. Damit meint er die internationalen Sparvorgaben, zu denen sich Athen im Gegenzug für Kredite verpflichten musste und die für die Bevölkerung harte Einschnitte bedeuten.

Tsipras will Ende der Plünderung

Für viele Griechen und auch für Tsipras haben die Maßnahmen zur Abwendung der Staatspleite, die Streichungen bei Löhnen und Renten, das Elend nur noch verschlimmert. Tsipras verlangt ein Ende dieser "Plünderung". Er will "mit der Rückendeckung des Volkes" den "vorgezeichneten Weg in die Armut" stoppen.

Dieses Vokabular lernte er Ende der 80er Jahre beim kommunistischen Jugendverband KKE. Und genau wegen solcher Sprüche haben viele Griechen Tsipras und seine Formation gewählt. Seither meint Tsipras, den "Traum von einer linken Regierung" verwirklichen zu können - und damit den Albtraum vieler Regierungen in Europa.

(mit Agenturmaterial/nbe/das/sap)
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