Warenhauskonzern: Galeria schließt 16 seiner 92 Warenhäuser
EILMELDUNG
Warenhauskonzern: Galeria schließt 16 seiner 92 Warenhäuser

Analyse Sieg der Angst in Israel

Düsseldorf · Benjamin Netanjahu hat mit seiner Likud-Partei entgegen allen Prognosen die Wahl klar gewonnen, indem er auf außenpolitische Härte setzte. Ein Konfrontationskurs, der das Land international zunehmend isolieren dürfte.

Benjamin Netanjahu: Sieg der Angst in Israel
Foto: afp, MK/dec

Benjamin Netanjahu hat alles richtig gemacht, jedenfalls aus seiner Sicht. In den Wochen vor der Parlamentswahl am Dienstag schien noch völlig sicher, dass Israels Premier vor einer Niederlage stand. Seine Popularitätswerte waren im Keller, in der eigenen Partei, dem Likud, wetzten die Kritiker schon freudig die Messer. Fast drei Viertel der Israelis sprachen sich in Umfragen für einen politischen Wechsel aus. Und dann fuhr "Bibi" doch einen klaren Sieg ein. Einen Sieg der Angst.

Um die drohende Niederlage abzuwenden, hatte Netanjahu mit brachialer Rhetorik im Endspurt vor der Wahl noch einmal um Wähler am ganz rechten Rand des politischen Spektrums gebuhlt. So erteilte er am Tag vor der Wahl der Idee eines unabhängigen Palästinenserstaats, die er schon bisher nur lauwarm vertreten hatte, erstmals eine klare Absage. Und arabische Israelis, die rund 20 Prozent der Bevölkerung stellen und ebenfalls wählen dürfen, brandmarkte er praktisch als Fünfte Kolonne der Feinde Israels.

Politisch gesehen war es eine Kampagne der verbrannten Erde, und der Preis für diesen Wahlsieg wird entsprechend hoch sein. Vor allem, weil Netanjahu um des innenpolitischen Gewinns willen die von der internationalen Gemeinschaft eingeforderte Zwei-Staaten-Lösung geopfert hat. Das wird Israel weiter in die Isolation treiben.

Schon jetzt neigt sich die Geduld mit dem jüdischen Staat, vor allem auch in Europa, dem Ende zu. Netanjahus sture Fortsetzung der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten wird als Haupthindernis auf dem Weg zu einer Friedenslösung angeprangert, obwohl es auch auf palästinensischer Seite einiges zu bemängeln gäbe. Der Frust hat Folgen: Die ersten Staaten haben einen palästinensischen Staat einfach schon anerkannt, obwohl es den streng genommen noch gar nicht gibt.

Womöglich noch folgenreicher für Israel ist die dramatische Entfremdung mit dem großen Verbündeten USA, die Netanjahu in den vergangengen Monaten noch einmal massiv befördert hat. Nach seiner umstrittenen Rede zum iranischen Atom-Programm vor dem US-Kongress, die eine Brüskierung von Präsident Barack Obama darstellte, ist das Verhältnis der beiden Politiker endgültig zerrüttet. Schlimmer noch: Die einst überparteiliche Unterstützung und Sympathie, die Israel in den USA traditionell genoss, könnte künftig im Streit zwischen Republikanern und Demokraten aufgerieben werden.

Diese Risiken dürften den meisten israelischen Wählern durchaus bewusst gewesen sein. Wenn sie am Ende dann doch für Netanjahu gestimmt haben, dann vor allem, weil sie sich ohnehin schon isoliert fühlen. Das Gefühl, allein gegen den Rest der Welt zu stehen, von Feinden umzingelt zu sein und keine Konzessionen machen zu dürfen - es ist weit verbreitet in Israel, es ist zu einem gewissen Grad Bestandteil der israelischen Identität.

Und dieses Gefühl ist ja nicht einmal völlig irrational. Es stimmt ja, dass Israel eine kleine Insel inmitten eines von muslimischen Extremisten und skrupellosen Diktatoren verheerten Nahen Ostens ist. Natürlich stellen der "Islamische Staat", die Hamas und die hochgerüstete Hisbollah eine Gefahr für das kleine Land dar, von der existenziellen Bedrohung durch eine mögliche iranische Atombombe ganz zu schweigen. Offensichtlich traute eine Mehrheit der israelischen Wähler dem harten Knochen Netanjahu noch am ehesten zu, angesichts dieser Bedrohungslage ihre Sicherheit zu garantieren.

Dazu kommt, dass viele Israelis nicht mehr so recht an eine Friedenslösung mit den Palästinensern glauben mögen. Zwar befürwortet in Umfragen weiterhin eine Mehrheit von ihnen einen eigenständigen Palästinenserstaat. Im Prinzip. Aber die im Gaza-Streifen herrschende Hamas, die weiterhin die Vernichtung Israels propagiert, ist ganz offensichtlich kein geeigneter Verhandlungspartner. Und der im Westjordanland regierende Präsident Mahmud Abbas von der Fatah, dessen Amtszeit eigentlich schon lange abgelaufen ist, gilt als verlässlich nur in seiner politischen Schwäche, die es ihm gar nicht erlaubt, seinerseits Kompromisse mit Israel zu schließen.

In Wirklichkeit, das konstatieren auch die inzwischen völlig desillusionierten Vermittler aus den USA und Europa, haben sich beide Seiten im Status Quo eingerichtet. Zu schmerzhaften Konzessionen sind weder Palästinenser noch Israelis bereit. Der Deal "Land gegen Frieden", der nach dem Friedensschluss von Camp David und der Rückgabe des Sinai an Ägypten einst so überzeugend wirkte, er hat sich als Argument abgenutzt. Damit aber fehlt eine politische Alternative zu einer Fortsetzung der bald 50-jährigen Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel, die weder ökonomisch noch strategisch Sinn macht - vom persönlichen Leid der Betroffenen ganz abgesehen.

Israel, auch das ist wahr, ist bis heute die einzige Demokratie in der Region. Aber genau dieses positive Alleinstellungsmerkmal ist durch die ungelöste Frage der Beziehung zu den Palästinensern heute vermutlich stärker bedroht als durch alle äußeren Feinde. Eine Demokratie als Besatzungsmacht, das verträgt sich nicht, das ahnen die meisten Israelis. Auch wenn dieser Zustand nun schon fast ein halbes Jahrhundert andauert. Denn was würde geschehen, wenn sich jene durchsetzen, die weiter Siedlungen bauen wollen und davon träumen, ein Groß-Israel zu errichten? Es könnte faktisch ein bi-nationaler Staat entstehen, in dem die Palästinenser jedoch keine vollen Bürgerrechte genießen. Eine Zweiklassengesellschaft voller Konflikte - das Ende der Demokratie. Noch dazu wäre etwas bedroht, was bis heute über die Parteigrenzen hinweg breiter Konsens in Israel ist: der "jüdische Charakter" des Landes. Denn in einem Groß-Israel wären die Juden schnell in der Minderheit.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort