Basis lässt Parteichef Bernd Lucke auflaufen AfD-Parteitag: Zeitweise am Rande des Chaos

Erfurt · Gleich mehrfach droht der Parteitag dem Vorstand der Alternative für Deutschland zu entgleiten. Die Basis empfängt den Vorsitzenden Bernd Lucke mit Buhrufen und Pfiffen, seine Anträge fallen durch. Es hat sich was angestaut an der Basis.

Parteitag März 2014: AfD-Basis lässt Bernd Lucke auflaufen
9 Bilder

Parteitag März 2014: AfD-Basis lässt Bernd Lucke auflaufen

9 Bilder

Zorn, Misstrauen und Empörung brechen hervor und treiben den Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) am Wochenende zeitweise an die Schwelle zum Chaos. Es ist der Machtanspruch des Parteigründers Bernd Lucke, der viele der rund 1000 in Erfurt versammelten Mitglieder so erregt.

Lucke wollte der Partei eine neue Führungsstruktur verpassen und seinen Einfluss massiv ausbauen. Der Plan scheitert. Kurz vor der Europawahl stutzen die Mitglieder ihren Parteichef zurecht, sie stürzen ihn aber nicht. Lucke bleibt der starke Mann der Euro-Gegner.

Buh-Rufe und Pfiffe empfangen Lucke, als er am Samstagmittag ans Rednerpult tritt - zum Rückzugsgefecht. "Ich bin selbst unglücklich über das Verfahren", sagt Lucke. Sein überarbeiteter Antrag für die Führungsreform, der viele Mitglieder erst am Vorabend erreicht hatte, sei "nicht fristgerecht" vorgelegt worden und werde deshalb vertagt.

Die in Erfurt versammelten Mitglieder hatten Lucke zuvor ihren Unmut spüren lassen. "Das Ganze hat schon sehr stark autokratische Züge", sagt ein Delegierter. Ein weiterer ruft in Richtung des Vorstands: "Ich fühle mich von Ihnen absolut manipuliert." Die Delegierten feuern reihenweise Geschäftsordnungsanträge ab, der Versammlungsleitung entgleitet die Kontrolle. "Wir verlieren völlig den Faden", seufzt Parteitagsleiter Bernd Kölmel ins Mikrofon.

Am Sonntag wiederholt sich das Schauspiel. Die Basis fühlt sich von Luckes kurzfristig vorgelegtem 20-Punkte-Programm überrumpelt, das bis zur Verabschiedung eines regulären Grundsatzprogramms die politischen Leitlinien festlegen soll. "Das ist keine demokratische Diskussionskultur", erregt sich ein Teilnehmer und erntet viel Zustimmung. Lucke fordert entnervt eine Rüge des Präsidiums für jene Parteitagsteilnehmer, die sich "nicht demokratisch verhalten". Auch das Programm wird vertagt.

Luckes Pläne hatten vorgesehen, dass anstelle der bisherigen Spitze aus drei gleichberechtigten Vorstandssprechern nur noch ein Parteivorsitzender die AfD führen soll - er selbst. Die künftige Parteispitze sollte unliebsame Vorstandsmitglieder absetzen oder ganze Gebietsverbände der AfD auflösen können, wenn sie einen Verstoß gegen die Satzung sieht.

Mit dem Ausbau ihrer Durchgriffsrechte auf die Partei wollte Lucke auf interne Querelen reagieren, die manche Landesverbände lähmten. Für eine ungefestigte neue Partei sind solche Turbulenzen ziemlich typisch. Die AfD muss im Jahr nach ihrer Gründung noch ihre internen Machtverhältnisse austarieren. Das Erfurter Parteitagsgezänk sagt freilich auch etwas aus über die Umgangsformen in der Partei: Die Bereitschaft zum Kompromiss erscheint weniger stark ausgeprägt als die Lust an der verbalen Rauferei.

"Wie in einem revolutionärem Getümmel wird oft nach allen Seiten kräftig ausgeteilt", beschreibt Lucke die Lage in der AfD. "Wenn wir dazu finden könnten, dass die Umgangsformen bei uns ein bisschen weniger pseudorevolutionär werden, dann würde ich mich sehr freuen."

Einen kurzzeitigen Stimmungsumschwung auf dem Parteitag schafft Lucke mit einer Rede, in der er vor allem die Medien kritisiert, welche die AfD "wieder und wieder verunglimpft und in Misskredit gebracht" hätten. Es sei "schlichtweg unanständig", dass die Medien seine Partei "aus einer bloßen Laune heraus in eine Nähe zum Rechtsextremismus rücken". Diese Botschaft trifft den Nerv der Delegierten, sie bedenken Lucke mit stehenden Ovationen.

Mit der Abgrenzung nach rechts positioniert sich Lucke in einem innerparteilichen Kurskonflikt. Lucke sieht die AfD als "Partei des gesunden Menschenverstands", die irgendwo in der politischen Mitte angesiedelt ist. In Teilen der Basis gibt es aber deutliche Rechtstendenzen.

Große Einigkeit demonstriert die AfD-Basis in Erfurt bei der Verabschiedung des Programms für die Europawahl. Die AfD will einen "geplanten und geordneten Ausstieg aus dem Einheitseuro".

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort