Türkei und EU Bundesjustizministerin sieht Beitritt in weiter Ferne

Berlin (RPO). Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hält die Türkei im Streit um eine EU-Mitgliedschaft auf längere Sicht für nicht beitrittsfähig. "Aus rechtsstaatlicher Sicht sehe ich noch deutlichen Nachholbedarf", sagte Leutheusser-Schnarrenberger unserer Redaktion. Die CDU-Ministerpräsidenten sehen eine Vollmitgliedschaft der Türkei generell kritisch.

 Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Foto: ddp

"Bei Themen wie Gleichbehandlung von Frau und Mann, Unabhängigkeit der Justiz und einer fairen rechtsstaatliche Behandlung bei Festnahmen erfüllt die Türkei noch nicht die Kriterien, auf die sich die Europäische Union als Wertegemeinschaft letztlich stützt", sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende. Die Türkei habe "noch einen weiten Weg" vor sich.

Bundeskanzlerin Merkel erhält in der Debatte um den EU-Beitritt der Türkei unterstützung von den CDU-Ministerpräsidenten. Es sei in gegenseitigem Interesse der EU und der Türkei, gute und enge nachbarschaftliche Beziehungen zu pflegen, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus am Dienstag "Spiegel Online". Dazu sei aus seiner Sicht aber keine Vollmitgliedschaft der Türkei erforderlich. Die EU sollte mit der Türkei jetzt "vorrangig" über die Kapitel Verhandlungen führen, die für eine privilegierte Partnerschaft bedeutend seien, wie sie von Merkel gefordert wird.

Tillich will privilegierte Partnerschaft

Auch Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich erteilte gegenüber "Spiegel Online" Forderungen nach einer Vollintegration der Türkei eine Absage. Die privilegierte Partnerschaft sei "der richtige Weg zur Einbindung eines für die EU und Deutschland so wichtigen Partners". Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer sagte, natürlich sei ein EU-Beitritt der Türkei theoretisch denkbar. "Das heißt noch lange nicht, dass es empfohlen werden sollte".

Die CDU-Länderchefs distanzierten sich mit ihren Äußerungen vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU). Polenz hatte in Interviews offen für einen EU-Beitritt der Türkei geworben und sich damit von der Mehrheitsmeinung in seiner Partei abgesetzt. Gegenüber "Spiegel Online" verwies Polenz am Dienstag auf Merkels Doppelrolle: Als Parteichefin werbe sie für das Modell der privilegierten Partnerschaft; als Kanzlerin aber binde sie der Koalitionsvertrag, der ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen verlange. Polenz bekräftigte: "Ich bin mit der Kanzlerin einig, mit der Position der Parteivorsitzenden nicht."

Merkel hatte nach ihrem Treffen mit dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan am Montag gesagt, sie habe jetzt verstanden, dass der Begriff privilegierte Partnerschaft in der Türkei keine gute Konnotation habe. Deutsche Medien werteten dies als verbales Zugeständnis. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), verneinte am Dienstag im Deutschlandfunk die Frage, ob Merkel den Begriff aus ihrem Vokabular gestrichen habe. Die Türkei habe in den EU-Beitrittsverhandlungen noch "einen großen Weg" zu gehen, hob Böhmer hervor.

(AFP/awei)
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