Terror-Abwehr Bundeswehr soll bei Terror-Gefahr helfen können

Düsseldorf (RP). Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sieht angesichts der Terror-Bedrohung dringenden Handlungsbedarf, auch den Einsatz der Bundeswehr bei Terrorangriffen zu regeln. Der Bund der Kriminalbeamten fordert, Feldjäger einzusetzen.

2010: Berlin rüstet sich gegen Terrorangriffe
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Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) forderte die Regierungskoalition in Berlin auf, angesichts der aktuellen Terrorbedrohung eine Sicherheitslücke zu schließen, um auch die Bundeswehr im Innern einsetzen zu können. "Es gibt zwei Situationen, in denen nur die Bundeswehr die Kompetenz hat — in der Luftabwehr und bei der Seesicherheit", sagte Schünemann unserer Redaktion. Am 11. September hätten die Terroristen Flugzeuge als Waffen benutzt. "Wir haben in Deutschland eine Sicherheitslücke, weil wir nicht festgelegt haben, was bei einem vergleichbaren Fall geschehen soll: abdrängen oder abschießen?", gab der Minister zu bedenken. Bei der Seebedrohung sei es genauso. Schünemann: "In diesen Fällen müsste die Bundeswehr eingesetzt werden."

Der CDU-Politiker verwies darauf, dass die Terroristen auch aktuell Flugzeuge weiter nutzen wollten, sowohl beim Passagier- als auch beim Frachtverkehr. "Deshalb werden wir in dieser Lage nicht bestehen können, wenn wir diese Sicherheitslücke nicht so bald wie möglich schließen." Es sei "dringend erforderlich", dass die Regierungskoalition hier tätig werde. Der seinerzeitige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe bereits zu Zeiten der großen Koalition Vorlagen erarbeitet, wie diese Lücke zumindest verkleinert werden könne. Das sei damals an der SPD gescheitert. "Ich halte es für nicht hinnehmbar, dass wir das mit der FDP nicht einmal mehr diskutieren", kritisierte Schünemann.

Kriminalbeamte fordern Einsatz der Bundeswehr

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) forderte, neben der Polizei auch die Bundeswehr zum Schutz der Bevölkerung im Inland einzusetzen. "Wir müssen davon ausgehen, dass der polizeiliche Ausnahmezustand durch die akute Terrorgefahr bis weit in das nächste Jahr dauern wird", sagte der BDK-Vorsitzende Klaus Jansen der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Dienstag. Das sei mit dem vorhandenen Personal aber nicht durchzuhalten. "Für den Schutz besonders gefährdeter Einrichtungen, Infrastruktur oder Veranstaltungen muss unterstützend die Bundeswehr eingesetzt werden", verlangte er.

Jansen schlug in der "NOZ" vor, "insbesondere auf die Feldjäger der Streitkräfte zurückzugreifen, weil diese auch polizeilich geschult sind". Nur durch Amtshilfe der Bundeswehr lasse sich in den nächsten Wochen und Monaten ein effektiver Schutz der Bevölkerung gewährleisten. "Die Polizei steht schon heute nahe vor dem Zusammenbruch", warnte er. Ein Aufstocken sei mit eigenem Personal kurzfristig nicht zu machen. "Bis neue Schutzpolizisten eine qualifizierte Ausbildung durchlaufen haben und einsatzbereit sind, dauert es einige Jahre", erklärte der BDK-Chef.

Geheimdienste sollen umgekrempelt werden

Die Koalition plant zudem offenbar eine umfassende Reform der Geheimdienste, um der Terrorgefahr besser zu begegnen. Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz sollten massiv gestärkt, der Militärische Abschirmdienst (MAD) im Gegenzug aufgelöst werden, berichtete die "Neue Osnabrücker Zeitung" unter Berufung auf FDP-Parlamentsgeschäftsführer Christian Ahrendt. "Die aktuelle Struktur der deutschen Geheimdienste geht an der Sicherheitslage vorbei", sagte Ahrendt dem Blatt zufolge. Fachleute des MAD mit seinen derzeit 1300 Mitarbeitern sollen demnach von BND und Verfassungsschutz übernommen werden. Experten von Union und FDP hätten sich auf die Reform geeinigt.

"Lieber einmal mehr die 110 wählen"

Der niedersächsische Innenminister rief derweil die Bürger zu verstärkter Wachsamkeit auf. Zum Beispiel solle jeder darauf achten, wenn irgendwo ein herrenloser Koffer herumstehe. "Die Bevölkerung hat doch ein feines Gespür dafür, ob etwas Ungewöhnliches im Wohnviertel vor sich geht", betonte Schünemann. In diesem Fall sei es sinnvoll, "lieber einmal mehr die 110 zu wählen als einmal zu wenig".

Zuvor hatte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) eigene Warnungen nachträglich als "möglicherweise unglücklich" bezeichnet. Körting hatte einem Berliner Fernsehsender wörtlich gesagt: "Wenn wir in der Nachbarschaft irgendetwas wahrnehmen, dass da plötzlich drei etwas seltsam aussehende Menschen eingezogen sind, die sich nie blicken lassen oder ähnlich, und die nur Arabisch oder eine Fremdsprache sprechen, die wir nicht verstehen, dann sollte man, glaub' ich, schon mal gucken, dass man die Behörden unterrichtet, was da los ist."

De Maizière mahnt zur Besonnenheit

Daraufhin warnte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) noch am Montag davor, angesichts der aktuellen Terrorwarnungen die in Deutschland lebenden Muslime unter einen "Generalverdacht" zu stellen. Die aktuelle Debatte dürfe nicht zu einer solchen Vorverurteilung missbraucht werden. De Maizière mahnte an die Adresse von "selbsternannten Terrorismusexperten", dass mancher von ihnen sein Wissen für sich behalten möge.

Auch Schünemann betonte: "Jeder Hinweis auf angebliche Anschlagsziele ist derzeit reine Spekulation und wenig sinnvoll." Er trat allen Mutmaßungen entgegen, die Polizei sei von der aktuellen Situation überfordert. Das sei eindeutig nicht der Fall. Die zusätzlichen Streifen könnten derzeit noch aus der Alltagsorganisation gestellt werden. Falls nötig, könne der Einsatz auch noch durch die Bereitschaftspolizei verstärkt werden.

"Darüber hinaus haben wir in den letzten Jahren die Observationstrupps sowohl beim Staatsschutz als auch beim Verfassungsschutz deutlich erhöht, so dass wir auf die Situation gut vorbereitet sind", hob Schünemann hervor. Den aktuellen Umfang der Polizeipräsenz könne der Staat durchaus "noch über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten". Die Situation werde täglich in Abstimmung von Bund und Ländern ausgewertet.

Reichtsagskuppel gesperrt

Angesichts zunehmender Terrorwarnungen ist derweil die Polizeipräsenz in Berlin massiv erhöht worden. Die Haushaltsberatungen des deutschen Parlaments sollen an diesem Dienstag unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen beginnen. Nach Medienberichten über angebliche Pläne von Terroristen, im Reichstagsgebäude ein Blutbad anzurichten, hat der Bundestag den Zugang zur Dachterrasse und zu der bei Besuchern besonders beliebten Kuppel gesperrt. "Ab sofort bis auf Weiteres", lautete die Information durch das Parlament ohne Angaben von Gründen.

Nach Angaben von Körting wird die Berliner Landespolizei seit Montag von 60 Bundespolizisten unterstützt. Der Innensenator sagte, es sei "plausibel", dass eine Gruppe von Terroristen unterwegs sei und dabei konkrete Objekte als Anschlagsziele vorgesehen habe.

Sicherheit auf Weihnachtsmärkten

Angesichts der gestern erstmals geöffneten Weihnachtsmärkte appellierte der Verband der Schausteller an die Bürger, sich durch die Terrorwarnungen nicht von Besuchen abhalten zu lassen. Ausdrücklich schloss sich die Organisation der Marktkaufleute dem Appell der Politik an, das gewohnte Leben weiterzuführen. Die Verantwortlichen von Weihnachtsmärkten sagten verstärkte Sicherungsvorkehrungen zu.

Die FDP lehnte Gesetzesverschärfungen ab. Für eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung, wie sie von CDU, CSU und SPD nachdrücklich gefordert wird, gebe es keinen Bedarf, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Das Justizministerium wies darauf hin, eine anlassbezogene "Einfrierung" von Verbindungsdaten demnächst auf den Weg bringen zu wollen.

(RP/AFP)
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