Mehrheit im Parlament: Bundestag beschließt umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes
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Debatte um steigende Energiekosten Gysi fordert Abwrackprämie für Haushaltsgeräte

Berlin · Während Linksfraktionschef Gregor Gysi eine Abwrackprämie für stromfressende Waschmaschinen und Kühlschränke fordert, hat EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) dafür plädiert, die Leistungen für Sozialhilfeempfänger wegen der der steigenden Energiekosten zu erhöhen.

 Gregor Gysi will eine Abwrackprämie für die Haushaltsgeräte in Deutschland.

Gregor Gysi will eine Abwrackprämie für die Haushaltsgeräte in Deutschland.

Foto: dapd, dapd

Der Deutschen Presse-Agentur sagte Gysi in Berlin, die Bundesregierung müsse die infolge des Atomausstiegs steigenden Strompreise für die Verbraucher eindämmen. Mit Hilfe der Prämie sollten Bürger ihre alten Haushaltsgeräte verschrotten und sich eine stromsparendere Technik kaufen können. Der Bundestag hat es seiner Ansicht nach versäumt, einen Strompreissteigerungsstopp zum 1. Januar 2013 zu beschließen.

Gysi forderte ferner, bis auf wenige Ausnahmen die Vergünstigungen für stromintensive große Konzerne zu streichen. Er schlug zudem vor, die Stromsteuer um den Betrag zu senken, um den die Umlage für die Förderung der erneuerbaren Energien gestiegen sei. "Wir verwenden dann diese Gelder für die erneuerbaren Energien, machen die Strompreise aber nicht teurer."

Die Regierung müsse außerdem ihr angekündigtes Zuschussprogramm für die energetische Gebäudesanierung von 300 Millionen Euro pro Jahr auf über eine Milliarde Euro aufstocken. "300 Millionen Euro reichen nicht einmal im Ansatz aus. (...) Wir brauchen eine energetische Sanierung der Wohnungen, aber wir brauchen dafür Zuschüsse, weil ansonsten die Mieten für die Leute nicht mehr bezahlbar sind."

Gysi sagte: "Es fehlen 250.000 Wohnungen in Deutschland." Neubauten könnten den Druck auf die Mietpreise senken. Der Mietanstieg müsse auf die Inflationsrate begrenzt werden. 2012 lag die Inflationsrate bei 2 Prozent. "Wieso sind ausgerechnet bei den Mieten 20 oder 15 Prozent Steigerung binnen drei Jahren gesetzlich erlaubt?", fragte Gysi. Investoren müssten verpflichtet werden, einen Teil der Bauten zu sozialverträglichen Preisen zu vermieten.

Oettinger für höhere Sozialleistungen

Angesichts steigender Preise für Strom und Gas müssen aus Sicht von EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) die Sozialleistungen in Deutschland aufgestockt werden. "Wenn die Energiepreise steigen, müssen auch die Leistungen für Hartz-IV-Empfänger steigen", sagte er der "Welt am Sonntag". Sozialhilfe solle abbilden, was derjenige, der kein eigenes Einkommen und Vermögen hat, zu einem menschenwürdigen Leben brauche. "Licht im Wohnzimmer und ein Kühlschrank für gesunde Lebensmittel gehören eindeutig dazu."

Oettinger wies darauf hin, dass der Strompreis in den nächsten Jahren deutlich stärker als die Inflation steigen werde. Das könne für schmale Budgets zu einem großen Problem werden, und zudem Jobs in energieintensiven Branchen wie der Stahlindustrie gefährden. Der EU-Kommissar erinnerte daran, dass Deutschland schon jetzt hinter Japan und Dänemark den höchsten Strompreis der Welt habe.

DIW: Energieeffizienz muss schnell verbessert werden

Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gert Wagner, sieht bei der Umsetzung der Energiewende Licht und Schatten. Wagner sagte in einem dapd-Interview, der Ausbau der erneuerbaren Energien gehe zwar gut voran. "Echten Nachholbedarf" gebe es aber im Bereich der Verbesserung der Energieeffizienz und der nachhaltigen Mobilität.

Wagner verwies darauf, dass die größten Belastungen für Unternehmen "durch hohe Preise fossiler Energie" entstünden. Er fügte hinzu: "Die werden nicht mehr systematisch und nachhaltig runtergehen." Nur die Verbesserung der Energieeffizienz ermögliche dauerhaft sinkende Kosten.

Der DIW-Vorstandsvorsitzende schlug vor, Unternehmen für das Energiesparen zu belohnen. So könne "die Ausnahmegewährung für energieintensive Unternehmen, die von der Zahlung der EEG-Umlage, Ökosteuer und Emissionszertifikaten weitestgehend ausgenommen sind, an Energieeffizienz-Managementsysteme gekoppelt werden".

Wagner fügte hinzu: "Den Verbrauchern ist nicht mit niedrigeren Preisen nachhaltig geholfen, sondern sie sollten Energie einsparen, insbesondere im Gebäudebereich." Daher sei es "wichtig, dass wir in Deutschland die finanzielle Unterstützung der Gebäudesanierung aufstocken und man sich auf Bundesländer-Ebene rasch einigt".

Stromkosten könnten auch verringert werden, "indem stromsparende Geräte genutzt werden". Wagner betonte: "Dabei kann einkommensschwachen Haushalten durch eine finanzielle Unterstützung beim Kauf von energiesparenden Geräten geholfen werden."

Verbraucherzentralen: Energiewende teurer als sie sein müsste

Die Verbraucherzentralen fordern unterdessen grundlegende Korrekturen beim Umbau der Stromversorgung. Die Energiewende sei richtig, sagte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen, der dpa. Aus Verbrauchersicht sei sie aber "teurer als sie sein müsste. Sie ist zu schlecht koordiniert, sie ist zu schlecht geplant". Er verlangte die Abschaffung der Privilegien, die viele Firmen von Netzentgelten und der Ökostrom-Umlage befreiten. Dadurch müssten die Privathaushalte den größten Teil der Mehrkosten für die Energiewende schultern. "Das ist ungerecht - auch, weil wir sehr viele Verbraucher mit geringen Einkommen haben."

Billen kritisierte Planungen für zweifelhafte Großprojekte, die ebenfalls hohe Kosten verursachten. "Wir sehen gerade mit Sorge, dass sich in der Nordsee vermutlich eine Wiederholung von Stuttgart 21 oder der Elbphilharmonie andeutet." Auf hoher See seien Windräder für mehr als eine Milliarde Euro geplant, die aber voraussichtlich keinen Strom liefern könnten, weil die Netzanbindung fehle. "Das ist eine gigantische Vergeudung von Geld."

Die Energiewende müsse ein Preisschild bekommen, argumentierte der Verbraucherschützer. "Damit wir mitentscheiden können, was die effizienteren Wege sind und was teurer Schnickschnack, den wir uns nicht leisten können." Nach der Bundestagswahl im Herbst müsse die Regierung, wie immer sie sich zusammensetze, die Energiewende neu aufstellen. "Wichtige Themen sollten künftig in einem Energie- und Klimaministerium gebündelt werden."

Auf die Verbraucher kommen in den ersten Monaten des neuen Jahres kräftige Energiepreiserhöhungen zu. Im Januar und Februar steigen die Strompreise bei rund 750 Grundversorgern, wie die Online-Vergleichsportale "Check24" und "Toptarif" diese Woche mitgeteilt haben. Weitere Anbieter sollen im März und April folgen.

(dpa/APD/felt)
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