Kolumne: Berliner Republik Politik mit dem Gesäß

Die Sitzordnung im Bundestag gehört derzeit zu den Top-Themen in Berlin. Es ist ein bisschen wie früher in der Schule.

Eine Grünen-Politikerin der ersten Stunde hat mir einmal erklärt, dass Demokratie nichts anderes sei als die Diktatur des Gesäßes. Ein hübsches Bild: Sie bezog das auf endlose Sitzungen, in denen um Mehrheiten für diese oder jene Position gerungen wurde. Die Länge solcher Entscheidungsfindungsprozesse war insbesondere in den Anfangsjahren der Grünen legendär. Wer am längsten sitzen bleibt, bekommt seine Punkte am Ende durch - so lautete die Lebensweisheit dieser Politikerin, die schon lange nicht mehr dem Bundestag angehört.

Im Berliner Regierungsviertel geht es in diesen Tagen um eine ganz andere Art der Gesäß-Politik: Die Parteien streiten darüber, wer wo im Bundestag Platz nehmen darf. Mit dem Wiedereinzug der FDP und dem erstmaligen Einzug der AfD müssen neue Stuhlreihen unter der Glaskuppel angeschraubt werden. In früheren Jahren saßen die Liberalen stets rechts von der Union, was niemanden störte. Dies will die FDP aber keinesfalls mehr. Zumal wiederum rechts von der FDP die AfD angesiedelt werden soll. Die FDP steht auf dem Standpunkt, sie gehöre in die Mitte des Parlaments. Vor dem Hintergrund, dass auch die Grünen zwischen Union und SPD sitzen, ist das zumindest kein völlig abwegiges Anliegen. Andererseits wurden die Liberalen im Wahlkampf nicht müde zu betonen, dass es im Bundestag schwarze, rote und grüne Sozialdemokraten gebe. Und nun wollen sie mitten unter diesen ganzen Sozis sitzen?

Ein bisschen erinnert die Debatte um die Sitzordnung im Bundestag an frühere Diskussionen in der Schule. Es gab immer Kinder, neben denen niemand sitzen wollte. Aktuell nimmt die AfD diese Rolle im Bundestag ein. Die Union möchte die Rechtspopulisten nun auch nicht in ihrer Nähe haben. Allzu schmerzlich wäre es wohl, in jeder Plenarsitzung daran erinnert zu werden, dass rechts neben der Union eben doch eine neue politische Kraft entstanden ist.

Die Sache ist noch nicht entschieden. Vergangene Woche tagte zunächst einmal der sogenannte Vorältestenrat - ein informelles Gremium für die Phase zwischen Bundestagswahl und Konstituierung des neuen Parlaments. Am Freitag - ausgerechnet am Dreizehnten - will das Gremium einen erneuten Anlauf nehmen, den Streit zu lösen. Immerhin müssen bis zur konstituierenden Sitzung am 24. Oktober die neuen Sitze jeweils in Fraktionsgröße aufgestellt sein.

Vieles deutet darauf hin, dass trotz der sich anbahnenden Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen eher großkoalitionäre Entscheidungen in dem kleinen Gremium getroffen werden. Dann müssten sich die Liberalen doch mit der Rolle zwischen Union und AfD begnügen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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