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Informationspflicht bei Rüstungsexporten Waffendeals: Warum Merkel ihren neuen Spielraum nicht nutzen sollte

Meinung · Das Verfassungsgericht hat die parlamentarische Kontrolle auf dem besonders umstrittenen Feld von Waffenexporten gestärkt, der Regierung aber einen weiten Handlungsspielraum eingeräumt, innerhalb dessen sie frei und vertraulich agieren darf, ohne öffentliche Begründungen liefern zu müssen.

Fragen und Antworten zur Rüstungspolitik
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Foto: dpa, gam wst axs

Rüstungsgegner dürfen das Urteil als Niederlage empfinden, wer dagegen mehr den Wirtschaftsstandort und die weltpolitische Gestaltungsfreiheit Deutschlands im Blick hat, kann sich bestätigt sehen.

Die drei klagenden Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian-Ströbele, Katja Keul und Claudia Roth sind nach der Karlsruher Entscheidung von der schwarz-gelben Bundesregierung tatsächlich in ihren Rechten verletzt worden, als sie im Sommer 2011 nach Waffenexporten für Saudi-Arabien und Algerien fragten und keine Antwort bekamen, weil dieses ja den geheim tagenden Bundessicherheitsrat betreffe.

So läuft es nicht, entschied nun das höchste deutsche Gericht. Parlamentarische Kontrolle funktioniert nur, wenn die Regierung ihre längst gefällten Entscheidungen auch mitteilt und sie nicht in dem wenig aussagekräftigen Rüstungsexportbericht versteckt, der erst mit großer zeitlicher Verzögerung Parlament und Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Insofern hat die Opposition hier einen Punkt gemacht. Doch die Bundesregierung hat längst reagiert und teilt von sich aus auch außerhalb der Jahresberichte mit, welche Exporte sie genehmigt hat.

Erheblicher Klärungsbedarf

An dieser Stelle besteht für die Praxis freilich weiterer Klärungsbedarf. Streng genommen hat die Opposition nun nämlich den Hebel in die Hand bekommen, nach jeder Sitzung des Bundessicherheitsrates konkret Beschlüsse einfordern zu können, wenn sie danach fragt. Doch die Sitzungen sind so geheim, dass nicht einmal die Termine mitgeteilt werden, geschweige denn, welche Projekte zur Entscheidung anstehen.

Es trüge deshalb zur Vertrauensbildung bei, wenn die Regierung ihre Entscheidungen auch regelmäßig zeitnah mitteilte, sonst würde sich an dem bedauerlichen Geschwurbel um Waffengeschäfte mit Gerüchten, Dementis, Nachfragen und Nebelkerzen nichts ändern. Außerdem kann es nicht im Interesse der Bundesregierung liegen, wenn sie nun jede Woche Anfragen der Opposition nach allen möglichen eventuellen Rüstungsgeschäften auf den Tisch bekommt, wenn sich nur so herausfinden lässt, welche Entscheidungen tatsächlich getroffen wurden.

Die Regierung muss auch den Sturm der Empörung einkalkulieren

Daneben hat das Verfassungsgericht der Bundesregierung viel Spielraum für verborgene Erwägungen und Erörterungen gelassen. Sie muss das Für und Wider von Verkaufsoptionen nicht mitteilen und kann auch die Begründung für Liefererlaubnisse für sich behalten. So lange nicht die letzte Entscheidung im Bundessicherheitsrat gefallen ist und es sich lediglich um Voranfragen und Vorentscheidungen handelt, kann sie vollständig schweigen. Die Richter sehen hier den Schutz vertraulicher außenpolitischer und sicherheitspolitischer Strategien und sogar den Schutz deutscher Firmen vor unliebsamer Konkurrenz als höherwertig an als den Anspruch durchgreifender parlamentarischer Kontrolle.

Das mag man bedauern, es zeugt jedenfalls von einem Öffentlichkeitsverständnis, das die Bevölkerung bewusst nicht mitnehmen will. Jede Regierung ist gut beraten, die Maßgaben aus Karlsruhe für sich zu interpretieren. Sie sollte laufende Routine-Geschäfte anders behandeln als spektakuläre Waffenlieferungen. Dass sie verfassungsrechtlich nicht verpflichtet ist, Waffendeals zu begründen, bedeutet eben nicht, dass es nicht politisch opportun wäre, genau das zu tun, um öffentliche Unterstützung für das Handeln der Regierung zu sichern — Stürme der Empörung bei fragwürdigen und falschen Entscheidungen eingeschlossen.

Akademischer Wert

Zudem ist die Zeit über das jetzt entschiedene Verfahren längst hinweggegangen. Zur parlamentarischen Kontrolle von Waffenexportgenehmigungen gehörte vor allem die Motivation, die Einhaltung der selbstgesetzten Regeln zu überprüfen. Sprich: Hält sich die Regierung an die Richtlinien, wonach deutsche Waffen nicht in Krisengebiete geliefert werden dürfen?

Wie weit sich die Wirklichkeit von diesen Grundsätzen entfernt hat, zeigen die aktuellen Waffenlieferungen in den Nordirak. Die frühere Absicht, einen Einsatz deutscher Waffen in aktuellen Auseinandersetzungen auszuschließen, hat sich ins Gegenteil verkehrt: Sie werden geliefert, damit sie umgehend zum Einsatz kommen. Hier muss das Zusammenspiel von Regierung und Parlament dringend neu austariert werden. Vor diesem Hintergrund hat die aktuelle Rüstungsexportentscheidung über eine Situation von 2011 für die drängenden Fragen von heute eher akademischen Wert.

(may)
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