London Erneut stirbt ein Afrikaner am Eurotunnel

London · Chaos unterm Ärmelkanal: 1500 Menschen stürmen die Unterführung nach Großbritannien.

Es war der neunte Todesfall seit Anfang Juni. Ein Flüchtling aus dem Sudan, männlich, zwischen 25 und 30 Jahre alt, kam ums Leben, als er durch den Eurotunnel nach Großbritannien gelangen wollte. Er wurde von einem Lastwagen überfahren. Wie er hatten es in der Nacht zu gestern rund 1500 Flüchtlinge versucht. 148 von ihnen gelang es. Ein weiterer Flüchtling starb beim Versuch, im Pariser Nordbahnhof auf den Eurostar nach London zu klettern. Er erlitt einen Stromschlag.

Die Situation im nordfranzösischen Fährhafen Calais und in Coquelles, wo der Eurotunnel beginnt, hat sich verschärft. Waren es im Januar rund 600 Flüchtlinge, die in Calais gestrandet waren, sind es nun 5000 Menschen. Sie versuchen, Absperrungen zu überwinden, um in Lastwagen einzubrechen oder auf Züge aufzuspringen. Insgesamt hat es in diesem Jahr nach Angaben des Eurotunnel-Betreibers 37 000 Versuche gegeben, auf die andere Seite des Ärmelkanals zu gelangen.

Das Risiko für Leib und Leben ist groß, aber der Preis, im Königreich Asyl beantragen zu dürfen, scheint es vielen Flüchtlingen wert. In der Nacht zum Dienstag führte die französische Polizei rund 2000 Eindringlinge vom Gelände des Eurotunnels ab - und ließ sie draußen wieder frei. Kein Wunder, dass einen Tag später die Flüchtlinge erneut ihr Glück versuchten.

Aber mit dem Katz-und-Maus-Spiel solle nun Schluss sein, sagte die britische Innenministerin Theresa May. Sie hatte in Gesprächen mit ihrem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve eine Änderung der bisherigen Praxis erreicht. In Zukunft sollen nicht mehr alle aufgegriffenen Flüchtlinge wieder freikommen, sondern einige von ihnen in ihre Heimat abgeschoben werden. "Das ist ein bedeutender Schritt", sagte May. Es mache deutlich, dass die Menschen nach ihrer gefährlichen Reise bis Calais kein Leben in Großbritannien erwarten können. Zudem will die britische Regierung umgerechnet 9,9 Millionen Euro in einen zwei Kilometer langen Hochsicherheitszaun investieren, der die Anlage in Coquelles schützen soll.

Der Flüchtlingsansturm in Calais und Coquelles, der immer wieder zu Schließungen des Tunnels und zu Störungen beim Fährbetrieb führte, hat auch auf britischer Seite Beeinträchtigungen verursacht. Weite Teile der Autobahn M 20 mussten geschlossen und zu einem Parkplatz für Lkw umgewandelt werden. Der britische Verband der Speditionsunternehmer schätzt, dass der Industrie pro Tag ein Schaden von gut einer Million Euro entsteht.

(RP)
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