Griechenland-Poker Wolfgang Schäuble, der Eiserne

Berlin/Brüssel · Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reagiert zunehmend gereizt auf das undurchsichtige Gebaren der griechischen Regierung. Am Donnerstag ließ er die Athener mit ihrem Antrag auflaufen.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Wieder so ein Satz, der in die Geschichte der Euro-Krise eingehen wird: "Am 28., 24 Uhr, isch over", sagt Wolfgang Schäuble nach der Sitzung der 28 EU-Finanzminister am Dienstagnachmittag in Brüssel. Dieser badisch-englische Satz entbehrte nicht einer gewissen Komik, wäre nur sein Zusammenhang nicht so ernst. Er bringt das ungleiche Kräfteverhältnis im Griechenland-Poker auf den Punkt — und er bestätigt das negative Gefühl in Südeuropa gegenüber Deutschland. Am Donnerstag dann ließ Schäuble bezüglich des Antrag aus Athen auf Verlängerung der Hilfen erklären: "Das Schreiben entspricht nicht den am Montag in der Eurogruppe vereinbarten Kriterien."

"Am 28., 24 Uhr, isch over" — Schäubles Satz klingt ja wirklich so, als wäre er es höchstpersönlich, der Griechenland den Stecker zieht, wenn die Athener Regierung nicht einlenkt und einer Verlängerung des bestehenden Hilfsprogramms zustimmt. Der Bundesfinanzminister geht damit das Risiko ein, nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die verhassteste Figur in Griechenland zu sein. Dabei weiß der 72-Jährige nur zu gut, wie wichtig im Ringen um die Bewältigung der Euro-Krise nationale Gefühle sind. Ohne das Gefühl der Demütigung wären Links- und Rechtsextremisten in Athen nie an die Macht gekommen.

In europa steht kaum jemand mehr für Solidarität

Doch Schäuble nimmt den Hass in Kauf, weil seine Rolle in dieser wichtigen Phase gerade nicht die sein kann, Verständnis für Griechenland zu haben: Er muss stattdessen den beinharten, auf Solidität und Verlässlichkeit beharrenden Part geben. Außer ihm kann diese Rolle in Europa nur noch Merkel geben, doch die ist mit der Ukraine beschäftigt. Und neben der Bundesregierung steht in Europa auch kaum jemand mehr für Solidität, vor allem nachdem sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker entschieden hat, auf die Seite derer zu wechseln, die Verabredungen aufweichen möchten.

Der Dienstälteste in Merkels Kabinett ist ein überzeugter Europäer. Seit 30 Jahren kämpft er für die europäische Einigung, seit 2009 als Bundesfinanzminister, und seitdem kämpft er auch gegen die Euro-Krise. Auch dieser Schäuble-Satz ging in die Geschichte ein: "There will be no Staatsbankrott in Greece", sagte er im Oktober 2012.

Schäuble hat die Euro-Rettungsstrategie maßgeblich konzipiert und in unzähligen Nachtsitzungen gegen größte Widerstände durchgeboxt. Er rief die Rettungsschirme EFSF und ESM und die Bankenunion ins Leben. Auch der Schuldenschnitt 2012, der Griechenland um 100 Milliarden Euro entlastete, wäre ohne Schäuble nicht denkbar gewesen. Mit Merkel setzte Schäuble immer wieder das Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" in Programmen durch. In Irland und Portugal war es erfolgreich, beide refinanzieren sich heute wieder selbst am Kapitalmarkt.

Nur einmal hat Schäuble überzogen

Nun will Schäuble nicht zulassen, dass Griechenland dieses erfolgreiche Prinzip unterläuft. Seine bewusst zur Schau gestellte Gelassenheit gibt er in diesen Tagen zuweilen auf, um Athen den Ernst der Lage vor Augen zu führen. Dass andere eher bereit sind nachzugeben, trägt zu einer seltenen und wachsenden Gereiztheit bei Schäuble bei.

Der französische EU-Währungskommissar Pierre Moscovici etwa hatte vor dem Eurogruppen-Treffen am Montag ein eigenes Papier vorgelegt, von dem Schäuble nichts wusste. Darin schlug Moscovici einen viermonatigen Überbrückungskredit vor, für den Griechenland kaum hätte Bedingungen erfüllen müssen. Für Schäuble war das ein Foul, das er nicht durchgehen lassen konnte, zumal Moscovici für die Verhandlungen nicht zuständig ist.

Entscheidend für den Minister in seiner Rolle des Eisernen ist, dass er sich inhaltlich auf der richtigen Seite wähnt. Nur einmal hat er überzogen: Als er vergangene Woche sagte, die Griechen täten ihm Leid, dass sie diese Regierung gewählt haben. Das hätte sich ein so Souveräner wie Schäuble sparen können.

(mar)
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