Kopenhagen "Gucci-Helle" vor Wiederwahl

Kopenhagen · Dänemarks viel kritisierte Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt steckte jahrelang im Umfragetief. Doch kurz vor der Parlamentswahl hat die Handtaschen-Liebhaberin aufgeholt.

Helle Thorning-Schmidts Auftreten ruft schon lange Kritik hervor. "Du weißt doch hoffentlich, dass man mit einer Gucci-Tasche nicht unsere Wähler erreicht? Die nennen dich schon Gucci-Helle!", bemerkte ein alteingesessener Genosse einmal in kleiner Runde, nachdem Thorning-Schmidt 2005 den Parteivorsitz der zerstrittenen dänischen Sozialdemokraten übernommen hatte. Selbst bei einem Besuch in Libyen während des Bürgerkriegs 2011 baumelte eine knallrote Handtasche am Arm der Politikerin. Ihr teuerstes Exemplar kostete angeblich mehr als 12 000 Euro. "Wir können doch nicht alle gleich aussehen", antwortete Thorning-Schmidt und einte im Laufe der Zeit ihre durch den Machtverlust 2001 aus den Fugen geratene Arbeiterpartei. Inzwischen hat die Ministerpräsidentin, die für ihr Handy-Foto mit US-Präsident Barack Obama und dem britischen Premier David Cameron auf der Trauerfeier für Nelson Mandela 2013 weltweit bekannt wurde, wieder Chancen, die Wahl am 18. Juni zu gewinnen.

Dabei verfolgte das unzuträgliche Oberschicht-Image bei ihrer Stammwählerschaft die erste Regierungschefin des Landes lange. 2011 wurde sie mit dem historisch schlechtesten Wahlergebnis ihrer Partei Ministerpräsidentin. Ihr damaliger wie heutiger Widersacher, der bürgerliche Ex-Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, hatte mehr Stimmen auf seine Partei vereinen können. Aber er musste am Ende wegen des Niedergangs seines konservativen Regierungspartners und angesichts kräftiger Zugewinne im Linksblock aus Sozialisten und Sozialliberalen das Zepter abgeben.

Auch in den vier folgenden Amtsjahren rutschten Thorning-Schmidts Umfragewerte nach unten. Um die Wirtschaftskrise zu bewältigen, favorisierte sie einen Sparkurs, senkte Unternehmenssteuern und Arbeitslosenbezüge. Damit enttäuschte sie viele Wähler und Parteimitglieder. Die Linkspartei verließ die Regierung aus Protest. Auch ein Steuerskandal um ihren Ehemann Stephen Kinnock drückte die Stimmung. Thorning-Schmidt hatte den Sohn des britischen Ex-Labourchefs und EU-Kommissars Neil Kinnock beim Elite-Studium am belgischen Europa-Kollegium kennengelernt.

Die Wiederwahl der heute 48-Jährigen galt lange als undenkbar. Doch die Diplom-Politologin hatte am 27. Mai, taktisch sehr geschickt, die Neuwahl vom spätestmöglichen Termin im September auf den 18. Juni vorgezogen. Einen Tag vor dieser Nachricht konnte sie dem Land neue Wirtschaftsdaten präsentieren. "Kurz gesagt: Dänemark geht es besser als 2011. Wir sind heraus aus der Krise", verkündete sie wirkungsvoll. Gleichzeitig startete ihre Partei eine für dänische Verhältnisse zwar ungewohnte, aber erfolgreiche Kampagne gegen den Widersacher Rasmussen, weil der auf Parteikosten private Urlaubsreisen für die ganze Familie finanziert hatte.

Rasmussens Block aus der eigenen liberalen Venstre-Partei, den weiter geschrumpften Konservativen und der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF) besitzt Umfragen zufolge nur noch eine hauchdünne Mehrheit. Das hat auch mit seinem Auftreten zu tun: Rasmussen kommt eher mürrisch daher, die Sozialdemokratin gilt hingegen als deutlich sympathischer und vertrauenswürdiger. Dem Liberalen fehlt zudem ein starker Partner. Die Rechtspopulisten wollen selbst bei einem Wahlsieg nur als unterstützende Kraft dienen. Die fremdenfeindliche DF befürchtet eine Entzauberung, sollte sie erstmals in die Regierung einziehen.

Zudem könnte Thorning-Schmidt, die ihre Gucci-Taschen bis heute selbstsicher trägt, von einem unverhofften Trumpf profitieren: Eine neue ökologisch und sozialliberal orientierte Partei namens "Die Alternative", die unter anderem die 30-Stunden-Woche fordert, könnte das Zünglein an der Waage sein und ihr zur Wiederwahl verhelfen. Die Partei von Ex-Kulturminister Uffe Elbæk kommt Umfragen zufolge klar über die Zwei-Prozent-Hürde. Mit ihr und anderen Parteien, die sie mittragen würden, hätte Thorning-Schmidt nahezu genauso viele Stimmen wie Rasmussens Rechtsblock.

(RP)
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