Edmonton In Kanada regieren die Frauen

Edmonton · Der neue Premier Justin Trudeau hat 15 Ministerinnen in sein Kabinett berufen - das gab es noch nie.

Als Justin Trudeau vor ein paar Wochen im Wahlkampf gefragt wurde, wie er es mit der Gleichberechtigung halte, gab er eine ungewöhnliche Antwort. "Meine Mutter hat mich zu einem Feministen erzogen", sagte er. Und: "Ich bin stolz, Feminist zu sein."

Ein paar Tage später gewann er die Parlamentswahl in Kanada. Nun hat der junge Premierminister seinen Worten erste Taten folgen lassen. Als er diese Woche sein neues Kabinett vorstellte, staunten manche Kanadier nicht schlecht. Trudeau besetzte die Hälfte der Regierungsposten mit Frauen - zum ersten Mal in der Geschichte Kanadas. Warum ihm das so wichtig sei, wurde er bei seiner ersten Pressekonferenz als Premier gefragt. Trudeaus Antwort: "Weil es 2015 ist."

Fast klang es wie eine Selbstverständlichkeit - die es aber nicht ist. Denn Kanada gehört laut der Frauenrechts-Organisation "Equal Voice" erst jetzt zu nur einer Handvoll Länder auf der Welt, deren Regierungen eine Parität der Geschlechter aufweisen können. Schweden und Liechtenstein gehören dazu, Deutschland oder die US-Regierung von Barack Obama nicht.

Noch unter Trudeaus fortschrittlichem Vater Pierre, der Kanada mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 1968 und 1984 regierte, bestand das Kabinett fast ausschließlich aus älteren Männern weißer Hautfarbe. Bei Justin Trudeaus konservativem Amtsvorgänger Stephen Harper waren zuletzt nur 12 von 39 Ministern weiblich. Der neue Premier posierte bei der Vorstellung seines Kabinetts in Ottawa mit 15 Herren und 15 Frauen. Auch sonst geht es am Kabinettstisch bunt zu. Zur Ministerriege gehören vier Sikh, ein Inuit und ein schwuler Mann.

Bemerkenswert ist die Ernennung von Jody Wilson-Raybould, einer Ureinwohnerin vom pazifischen Westküstenvolk der "We Wai Kai". Wilson-Raybould regierte lange als Häuptling und arbeitete als Staatsanwältin nahe Vancouver. Nun ist sie die erste indigene Justizministerin in der Geschichte Kanadas. Zu Trudeaus Frauen-Team gehört auch Maryam Monsef. Als Kind hatte Monsef einst am Hindukusch ihren Vater im Krieg gegen die Taliban verloren. Als Elfjährige war sie aus Afghanistan nach Kanada geflohen, erhielt Asyl und baute ein Hilfswerk für afghanische Frauen und Mädchen auf. Nun soll die 30-Jährige die verkrusteten demokratischen Institutionen und das Wahlrecht Kanadas reformieren.

Auch inhaltlich stehen bei Trudeau Frauenthemen oben auf der Agenda: Er möchte das seit Jahrzehnten nicht aufgearbeitete Schicksal Tausender vermisster indigener Frauen und Mädchen aufarbeiten. Er gilt als Anhänger einer liberalen Abtreibungsregelung und will sich bei den Vereinten Nationen für die Gleichstellung von Mädchen und Frauen einsetzen - nicht nur in Kanada, sondern in der Welt.

(RP)
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