Persönlich Joschka Fischer . . . macht sich Sorgen um Europa

Es gibt nicht viele Kontinuitäten im Leben von Joseph "Joschka" Fischer: Die Schule hat er vor der 10. Klasse abgebrochen; auch seine Lehre hat er nicht beendet. Er arbeitete als Gelegenheitsarbeiter in Buchläden und im Taxigewerbe. Und er führte fünf Ehen. Aber dies zieht sich wie ein roter Faden durch das spätere Leben des Politikers: der Einsatz für ein vereintes Europa.

Für Europa "brennt" der gelernte, gereifte Demokrat Fischer. Der Sohn deutschstämmiger Eltern, die 1946 Ungarn verlassen mussten, sorgt sich seit geraumer Zeit wie kaum ein Zweiter darum, dass das große Friedensprojekt auf dem Alten Kontinent an der Wiedererweckung von Nationalismen und allerlei Egoismen scheitern könnte.

Gestern Abend bekannte Fischer beim internationalen Literaturfest "LitCologne" in Köln, er würde nicht die Verantwortung dafür übernehmen wollen, einen Euro-Austritt Griechenlands in Kauf zu nehmen und damit das 60 Jahre erfolgreiche Projekt Europa gegen die Wand zu fahren. Ein "Grexit", ein Ausstieg der Griechen aus dem Euro, würde Griechenland am Tag danach zur losen Kanone auf dem Westbalkan machen. Die Krise würde nicht verschwinden.

Der ehemalige Bundesaußenminister (1998 - 2005) und Grüne im Ruhestand hatte bereits 2014 mit einem Alarmruf in Buchform zeitgleich mit Ex-Kanzler Helmut Kohl vor dem Scheitern Europas gewarnt. Gestern bekräftigte der wieder sehr beleibte 66-Jährige, der seit 2006 eine eigene Beratungsfirma betreibt, seine Sorgen um Europa und dessen Währungsuntiefen. Fast glaubte man einen Berühmteren als Fischer, den Bonner Gründungskanzler Konrad Adenauer und dessen Standard-Stoßseufzer herauszuhören: "Die Lage war noch nie so ernst." Auch ein innenpolitisches Bekenntnis hatte Fischer parat: "Ich habe Merkel nicht gewählt, aber wenn sie sich entschließt, eine nächste, meinetwegen übernächste Amtszeit anzustreben, wäre das ein Problem der Opposition, aber nicht meins."

Reinhold Michels

(RP)
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