Persönlich Liu Xia . . . ist spurlos verschwunden

Wenn die ungeliebte Pflicht rief, dann brauchte sie zumindest zweierlei: Mentholzigaretten und eine Tasse Tee. So gestaltete Liu Xia die Pressegespräche mit Journalisten - am liebsten in Peking, im Teehaus ihres Wohnviertels. An diesem Lieblingsort fiel vor sieben Jahren auch einer ihrer berühmtesten Sätze: "Ich wollte nie etwas mit Politik zu tun haben, jetzt mache ich nichts anderes!", sagte Liu Xia damals, wenige Tage bevor ihr Ehemann Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis erhielt. Längst stand die Ehefrau da schon selbst im Fokus der Öffentlichkeit.

Als Liu Xia in den 90er Jahren "Ja" zu einer Zukunft an der Seite dieses Mannes sagte, war das wegweisend: Sie gab ihr Leben als einfache Steuerbeamtin auf, wurde seine Ehefrau - und eine freie Künstlerin. Nun, zwei Wochen nach dem Tod des chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo, ist klar, dass sie nicht nur seine Witwe ist, sondern an seiner Stelle zu Chinas Staatsfeind geworden ist: Liu Xia (56) wird vermisst. Sie ist seit Wochen verschwunden. Während die chinesische Regierung behauptet, Liu Xia sei in den Süden des Landes zu Freunden gereist, äußern sich Menschenrechtler besorgt. "Keiner ihrer Freunde konnte mit ihr sprechen oder sie treffen", sagte Maya Wang von Human Rights Watch gestern. "Wir müssen annehmen, dass sie eine Gefangene des Staates ist, obwohl sie kein Verbrechen begangen hat."

Liu Xia, die ihren Mann zu Beginn seiner Inhaftierung noch monatlich besucht hatte, steht seit 2008 selbst unter Hausarrest. Sie wird weiter terrorisiert. Und die zierliche Frau mit raspelkurzem Haar leidet - körperlich wie mental. Nach Angaben von Freunden habe sie Depressionen und Herzprobleme.

Viele Staaten, darunter Deutschland, fordern ihre Freilassung und eine Ausreiseerlaubnis. Ihrem Mann blieb das bis zu seinem Tode verwehrt. China verbittet sich Kritik und spricht von einer "inneren Angelegenheit". Nicht von einer unschuldigen Frau.

(RP)
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