Istanbul Mohammed-Karikaturen in der Türkei

Istanbul · Islamisten wüten gegen den Nachdruck von vier Charlie-Hebdo-Seiten.

Mit dem Nachdruck von Teilen der neuen Ausgabe von "Charlie Hebdo" hat die türkische Oppositionszeitung "Cumhuriyet" am Mittwoch den Zorn islamistischer Kreise in dem muslimischen Land auf sich gezogen. Als Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Terrorwelle in Frankreich veröffentlichte das Istanbuler Blatt vier Seiten der Pariser Satire-Zeitung.

"Cumhuriyet" verfolgt eine strikt säkularistische Linie und ist ein Sprachrohr der Kritiker der islamisch-konservativen Regierung in Ankara. Die Zeitung begründete den Abdruck der neuen "Charlie-Hebdo"-Zeichnungen mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit. Nach Angaben der Istanbuler Zeitung kontrollierte die Polizei in der Nacht die neue Ausgabe von "Cumhuriyet" und verhinderte vorübergehend die Auslieferung des Blattes. Erst nachdem die Beamten der Staatsanwaltschaft gemeldet hatten, dass der Mohammed-Titel von "Charlie Hebdo" nicht unter den von der Istanbuler Zeitung nachgedruckten Auszügen war, durfte die Auslieferung weitergehen. Die Poilzei übersah bei der Kontrolle offenbar zwei Beiträge weiter hinten im Blatt, in denen die Bilder versteckt waren.

Die Polizeiaktion gegen "Cumhuriyet" traf bei der Opposition auf scharfe Kritik. Die Partei CHP sprach von Zensur und einem illegalen Einsatz der Polizei, da keine Genehmigung von einem Staatsanwalt oder einem Richter vorgelegen habe. Der regierungskritische Journalist Cengiz Candar schrieb auf Twitter, mit dem Polizeieinsatz hätten die Behörden die versöhnliche Botschaft konterkariert, die von der Teilnahme von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu am Pariser Trauermarsch am vergangenen Sonntag ausgegangen sei.

Islamistische Medien kritisierten die Oppositionszeitung dagegen als Werkzeug westlicher Angriffe auf den Islam. Im regierungsnahen Fernsehsender Haber7 war von einer "Provokation" die Rede. Am Nachmittag ordnete ein Gericht im Südosten der Türkei die Sperre von Internetseiten an, die das neue "Charlie Hebdo"-Titelbild zeigen. Die Entscheidung sei auf Antrag eines Anwalts getroffen worden.

(RP)
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