Analyse Einen Volleyball-Boom wird es nicht geben

Düsseldorf · Das Männer-Nationalteam gewinnt unerwartet die Bronzemedaille bei der WM in Polen. Die Frauenauswahl möchte ab heute bei der Weltmeisterschaft in Italien bestätigen, dass sie zur erweiterten Weltspitze gehört. Dennoch tut sich die Sportart schwer.

 Christiane Fürst ist eine Leistungsträgerin des Teams.

Christiane Fürst ist eine Leistungsträgerin des Teams.

Foto: dpa, soe fpt nic

Plötzlich hatte der Volleyballsport viele Freunde. Unfassbar, unglaublich sei es, dass von den teils begeisternden Auftritten der Männer-Nationalmannschaft keine Fernsehbilder zu sehen waren, ereiferten sich sogenannte Fans. Dabei wussten viele wenige Tage zuvor noch nicht, dass in Polen eine Weltmeisterschaft stattfand. Erfolg weckt Begehrlichkeiten. Doch nur wer konstant für Aufsehen sorgt, erarbeitet sich - vielleicht - die Chance auf eine werbewirksame Präsentation. "Wir brauchen nicht nur einmalige Erfolge. Da muss schon ein bisschen Konstanz rein", stellte Teamkapitän Jochen Schöps selbstkritisch, aber auch den Moment des Triumphs genießend fest.

Die Bronzemedaille der Männer war eine Sensation. Der Versuch von Sport1, kurzfristig das Halbfinale zu übertragen, scheiterte an Lizenzrechten. Ab heute will die Frauenauswahl als EM-Zweiter bei der WM in Italien bestätigen, dass sie zur erweiterten Weltspitze gehört. Ihre Partien werden - wie gehabt - bei Sport1 übertragen.

"Der deutsche Volleyball ist so stark wie noch nie", betont Verbandspräsident Thomas Krohne. Wie der Italiener Giovanni Guidetti bei den Frauen, so hat der Belgier Vital Heynen ein Team geformt, in dem sich alle dem Erfolg unterordnen. Das Potenzial ist in Deutschland vorhanden, vieles wurde offenbar richtig gemacht. Dass die Bundesligen die wenigsten ihrer Topstars präsentieren können, liegt am Geld. Von den 14 Spielern, die in Polen bei der WM so sensationell auftrumpften, spielen nur zwei in der neuen Saison in Deutschland. Klubs in Polen, Italien, der Türkei, Belgien und Serbien bieten lukrativere Arbeitsplätze. "Ein Transfer nach Polen hat etwa die Qualität wie der Wechsel von Fußball-Weltstar Rudi Völler nach Italien", sagt Frank Bleydorn, Pressesprecher der Volleyball-Bundesliga.

Mit einem Masterplan will die Liga um Sponsoren, Zuschauer und Fernsehzeiten kämpfen. Die Hallen sollen attraktiver und fernsehtauglicher, der Eventcharakter bei den Spielen soll verstärkt werden. "Erfolge der Nationalmannschaft haben immer eine positive Wirkung, die von den Bundesligen bis zum Nachwuchs reicht", erklärt Frank Bleydorn. Doch die TV-Präsenz bestimmt maßgeblich, wohin die Reise geht. Und da war die WM in Polen keine Triebfeder, denn die Spiele waren im Fernsehen nicht zu sehen. "Deshalb", so Bleydorn, "wird es einen Boom nicht geben".

Ohnehin tut sich Volleyball im Wettstreit mit den anderen bedeutenden Ballsportarten schwer. Während im Fußball sogar Spiele der viertklassigen Regionalliga zu sehen sind und Basketball und Handball bei Sport1 einen festen Platz haben, bietet Volleyball im eigenen Internetkanal (vbl.tv) 30 bis 40 Spiele an, dazu kommen Minutenhäppchen in den regionalen Programmen. Doch auf Liveübertragungen von Klub-Begegnungen, die letztlich zählen und den Vereinen Geld bringen, wartet man noch vergeblich.

Während die Sommersparte Beachvolleyball ihren Platz im Fernsehen gefunden hat, tut sich die Hallenvariante, die fast jeder schon einmal probiert hat und die im Schulalltag zu Hause ist, schwer. Bei der Mitgliederzahl (451 717) liegt Volleyball, wo Baggern zum Handwerk gehört, hinter dem übermächtigen Fußball (6,8 Millionen) und Handball (803 000) vor Basketball (192 000) und ist zudem die einzige der vier Sportarten, die mehr weibliche Mitglieder hat (rund 17 000).

Und die Frauen sollen nun in den nächsten Tagen weiter Werbung für das rasante Spiel machen. Thomas Krohne gibt sich nicht bescheiden. "Ich erwarte ebenfalls eine Medaille", fordert der Verbandsboss.

(RP)
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