Schnellste Runde zum Schluss Red-Bull-Bosse rüffeln risikofreudigen Vettel

Neu Delhi (RPO). Die Herzen von 1,2 Milliarden Indern hat Sebastian Vettel im Sturm erobert, von seinen Bossen wurde der Formel-1-Weltmeister aber kräftig gerüffelt. Teamchef Christian Horner und Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko verzweifelten am Dickkopf ihres überragenden Schützlings - auf den nach seinem Erfolg bei der Premiere nahe Neu Delhi ansonsten nur Loblieder gesungen wurden.

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Vor allem von Seiten der Gastgeber, die den Hessen nach seinem Gruß auf Hindi und dem Loblied auf die Menschen und hübschen Frauen Landes zum neuen Liebling des Volkes erkoren. "Der regierende Gott der Formel 1 hat die Herzen von mehr als einer Milliarde Menschen gewonnen", schrieb die Zeitung Telegraph India: "Es ist nur gerecht, dass jemand, der so warmherzig gegenüber den Indern ist, den ersten Grand Prix in diesem Land gewonnen hat." Das Blatt regte nach dem Lob für den "charmanten 24-Jährigen" zudem an: "Premierminister Manmoham Singh, der sein Image verbessern könnte, müsste den Weltmeister zum Kaffee einladen."

Auch die indischen Vertreter im Fahrerlager lobten im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) überschwänglich die großen Gesten Vettels, der nach einer Tagestour zum Taj Mahal die Fröhlichkeit und Freundlichkeit der oft in ärmlichsten Verhältnissen lebenden Einheimischen gelobt hatte. "Sebastian Vettel ist für mich jetzt schon eine Legende", sagte Vicky Chandhok, Präsident des indischen Motorsportverbandes: "Er ist unglaublich, einfach fantastisch. Er kam direkt am ersten Tag zu mir und sagte: 'Danke, Vicky' - auf Hindi! Solch eine Geste des Weltmeisters - einen schöneren und tolleren Beginn hätte es nicht geben können."

Sohn Karun Chandhok, Ersatzfaher bei Lotus, erklärte: "Dass er Hindi gesprochen hat, zeigt, dass er ein toller Weltmeister und Botschafter für die Formel 1 ist." Auch Fahrerkollege Narain Karthikeyan war regelrecht gerührt: "Das bedeutet den Indern sehr viel, und mir persönlich auch. Sebastian ist einfach ein wunderbarer Mensch."

Für Monisha Kaltenborn, Sauber-Geschäftsführerin mit indischen Wurzeln, zeigte "diese tolle Geste, dass er sich mit dem Land auseinandergesetzt hat. Das ist den Indern sehr wichtig", sagte sie: "Es geht gerade bei einer ersten Austragung darum, einen Link zwischen dem Event und dem Land herzustellen. In dieser Hinsicht haben seine Aussagen eine unglaubliche Wirkung."

Horner und Marko grummelten dagegen, obwohl Vettel erstmals in seiner Karriere den Hattrick aus Pole Position, sämtlichen Führungskilometern und dem Sieg geschafft hatte. Doch die Bosse wurden in der Box beinahe wahnsinnig, als Vettel in der letzten Runde trotz gegenteiliger Aufforderung noch ein Risiko eingegangen war, um die schnellste Rennrunde zu sichern.

"Er weiß, dass wir das nicht mögen", sagte Horner: "Wir haben unser Bestes getan, um ihn einzubremsen, aber wir konnten nichts machen. Wir hätten ihm eine Kuh in den Weg stellen sollen." Auch Marko ließ seinem Ärger freien Lauf. "So eine Zeit hinzuknallen, ist ein unnötiges Risiko. Die Zeit der vorletzten Runde hätte schon gereicht. Das haben wir ihm auch gesagt, aber manchmal hört er nicht zu", sagte er dem Motorsport-Magazin.

Dass die Red-Bull-Bosse so empfindlich reagierten, hat nach Meinung von Ex-Rennfahrer und ORF-Experte Alex Wurz aber keine Sicherheitsgründe. "Die haben keine Angst davor, dass er rausfliegt", meinte der Österreicher: "Die haben Angst, dass die anderen Teams die FIA aufsuchen und versuchen, das Auto für illegal zu erklären."

Worin die Gründe auch immer liegen mögen, schon unmittelbar nach dem Rennen hatte Vettel die Befürchtung geäußert, "dass ich gleich ein bisschen Ärger bekomme". Sein Renningenieur habe ihn beschworen, dass es für die schnellste Runde keine Pokale gebe, "aber das ist mehr ein persönliches Ding. Mir fehlen noch ein paar schnellste Runden. Mark (Teamkollege Webber, d. Red.) hat schon fünf, ich erst drei."

An das Risiko habe er in dem Moment nicht gedacht, erklärte Vettel: "Ich wollte kein Harakiri machen, und ich hoffe, es wird nicht irgendwann bestraft. Aber diesmal hat doch alles geklappt."

Zumal er nicht nur 25 WM-Punkte sammelte, sondern auch unzählige Sympathiepunkte.

(SID)
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