Blocksperren, Teilausschlüsse oder Geisterspiele DFB-Präsident für Aussetzung der Kollektivstrafen

Frankfurt/Main · DFB-Präsident Reinhard Grindel hat im sich zuspitzenden Konflikt mit einigen Ultra-Gruppierungen Gesprächsbereitschaft signalisiert und sich überraschend für eine vorübergehende Aussetzung von Kollektivstrafen stark gemacht.

Reinhard Grindel - ehemaliger DFB-Präsident
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Das ist Reinhard Grindel

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Foto: dpa, fis jhe

Vorläufige Aussetzung von Kollektivstrafen, Aufforderung zum Dialog und Gewaltverzicht: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat den Fans im sich zuspitzenden Konflikt mit einigen Ultra-Gruppierungen die Hand gereicht. Mit teils überraschenden Vorschlägen setzen die Verantwortlichen auf Deeskalation - Teile der Politik bringen dagegen sogar eine Aufhebung des Pyroverbots ins Gespräch.

"Der DFB empfiehlt seinem Kontrollausschuss, bis auf Weiteres darauf zu verzichten, Strafen zu beantragen, die unmittelbare Wirkung auf Fans haben, deren Beteiligung an Verstößen gegen die Stadionordnung nicht nachgewiesen ist", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel: "In diesem Punkt, den Kollektivstrafen, sehe ich den wesentlichen Kritikpunkt der Ultraszene, und dass viele andere Diskussionen, die wir führen, wahrscheinlich eher vorgeschoben sind."

Sanktionen wie die Verhängung von Blocksperren, Teilausschlüssen oder "Geisterspielen" sollen deshalb zeitweise nicht mehr verhängt werden. Die Unabhängigkeit der DFB-Sportgerichtsbarkeit bleibe davon aber unberührt. "Wir wollen ein Zeichen setzen, um gemeinsam in den Dialog einzutreten", sagte Grindel: "Der Fußball in Deutschland steht auch für Stehplätze, faire Eintrittspreise und die 50+1-Regel. Der DFB meint es mit dem Angebot zum Dialog ernst."

Die DFB-Sportgerichtsbarkeit steht hinter dem Vorstoß. "Wir hatten intern intensive und teilweise kontroverse Diskussionen zu diesem Thema. Die Sportgerichtsbarkeit unterstützt im Ergebnis inhaltlich voll und ganz die Initiative des Präsidenten", sagte der Sportgerichts-Vorsitzende Hans E. Lorenz dem SID: "Das Ziel aller ist es, die Situation in den Stadien in den Griff zu bekommen. Allein mit repressiven Maßnahmen war das bisher nicht möglich."

Rummenigge begrüßt Initiative

Auch aus der Bundesliga kam Unterstützung. "Ich begrüße die Initiative des DFB-Präsidenten sehr", sagte Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge: "Man muss sich nur mal das Beispiel Borussia Dortmund vorstellen, als die ganze Südtribüne ausgeschlossen wurde. Das kann nicht im Interesse des Fußballs sein."

Die anhaltende Diskussion über den Umgang mit dem harten Kern der Fanszene hatte nach den Ausschreitungen beim DFB-Pokalspiel zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC (0:2) neue Nahrung erhalten. Während der Begegnung waren mehrfach Feuerwerkskörper gezündet worden, Schiedsrichter Robert Hartmann (Wangen) unterbrach das Spiel zweimal für insgesamt über 15 Minuten. Die aktuelle Stellungnahme von Grindel stand allerdings nicht im Zusammenhang mit den Ereignisse vom Montag.

Grindel und die DFL sehen den einzigen Weg zu einer Beseitigung der Differenzen in einer Intensivierung der Gespräche. "Wir müssen im Dialog Vertrauen aufbauen, Missverständnisse ausräumen und gemeinsam klare Linien und Grenzen festlegen", sagte der 55-Jährige und machte unmissverständlich klar: "Hierzu gehört der Verzicht auf Gewalt."

Die DFL unterstützt Grindel. "Der deutsche Fußball kann stolz auf seine vielfältige Fußball-Kultur sein. Die Dialog-Initiative des DFB-Präsidenten an alle Fan-Gruppen ist daher der richtige Schritt, um neues Vertrauen zu bilden. Miteinander statt übereinander reden - das muss die Devise sein", hieß es in einer Stellungnahme der DFL.

Fällt das Pyro-Verbot?

Zuvor hatte sich auch die Politik gemeldet. "Wenn einige Ultra-Gruppen ganz viel Wert darauf legen, Pyrotechnik zu zünden, kann man sich darüber unterhalten, dafür bestimmte Bereiche im Stadion zu schaffen - aber nur, wenn sich dann auch daran gehalten wird", sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) der "Sport Bild".

Die Aufhebung des Pyro-Verbots könne aber nur unter strengen Auflagen erfolgen: "In dem Augenblick, in dem auch nur ein Bengalo anderswo gezündet wird, müsste man das sofort wieder einstellen. Das bedeutet, dass man zu klaren, belastbaren Absprachen mit den Ultras kommen können müsste. Ich wäre dazu bereit, aber dazu bedarf es beiderseitiger Zuverlässigkeit."

Dass Fans bei Verstößen gegen geltende Gesetze weiter rechtliche Folgen erwarten, machte derweil Bundesinnenminister Thomas de Maizière klar. Der CDU-Politiker forderte ein konsequentes Durchgreifen seitens der Gerichte.

"Zunächst mal reden wir teilweise von erheblichen Straftaten. Da muss die Justiz harte Kante zeigen", sagte de Maizière der Bild. Es brauche einen Schulterschluss zwischen Vereinen, Staat und Gesellschaft gegen Gewalt in und um Stadien sowie auch mehr Prävention.

(dpa)
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