Schalke-Manager im Interview Heldt: "Trainerdiskussion ist völliger Quatsch"

Gelsenkirchen · Horst Heldt, der Sportvorstand (44) von Schalke 04, spricht im Interview mit unserer Redaktion über Kritik an Jens Keller, den Einstieg von Investoren, die ständigen Wechselgerüchte um Weltmeister Julian Draxler, Disziplinlosigkeiten und seine Strategien, vom Job abzuschalten.

 Schalke-Manager Horst Heldt stärkt Trainer Jens Keller den Rücken.

Schalke-Manager Horst Heldt stärkt Trainer Jens Keller den Rücken.

Foto: dpa, frg jai

Die Saison hat für den FC Schalke 04 noch nicht richtig angefangen und schon ist gehörig Druck beim Bundesligisten. Das Aus im Pokal gegen Drittligist Dynamo Dresden hat Spuren hinterlassen. Eine neuerliche Pleite bei Hannover (Samstag, 15.30 Uhr/Live-Ticker) würde die negative Stimmung weiter anheizen. Horst Heldt ist seit 2011 als Sportvorstand für die Entwicklung verantwortlich — im Interview blickt er naturgemäß optimistisch in die Zukunft.

Herr Heldt, Schalke hat in der vergangenen Saison die beste Rückrunde der Vereinsgeschichte abgeliefert. Nach nur einem verlorenen Pflichtspiel im Pokal ist schon wieder die Rede von Krise. Was läuft da falsch?

Horst Heldt "Wir sind nunmal einer von wenigen Vereinen in Deutschland, die stark polarisieren und über die jeden Tag berichtet wird. Bei uns beschwert sich aber niemand über die aktuelle Berichterstattung, wir können es durch unsere sportlichen Ergebnisse ja beeinflussen. Wenn ein Klub wie Schalke 04 in der 1. Runde des Pokals rausfliegt, dann ist das zu wenig. Keine Frage."

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Aber Ihnen kann es doch nicht gefallen, dass gleich wieder über dies und das munter spekuliert wird.

Heldt "Natürlich gefällt mir das ganz und gar nicht. Es ärgert mich. Aber man muss sich davon lösen, sich von der Aufregung anstecken zu lassen."

Jens Keller wurde vor wenigen Monaten noch gefeiert. Nun werden öffentlich erneut Nachfolger für ihn gehandelt. Sieht so Ruhe im Umfeld des Vereins für Sie aus?

Heldt "Wir müssen akzeptieren, dass in der Öffentlichkeit Themen gesetzt werden, die für uns intern nicht nachvollziehbar sind. Selbstverständlich sind die Diskussionen um Jens Keller völliger Quatsch, selbstverständlich steht der Trainer in keiner Weise zur Diskussion. Wir werden es nur nicht verhindern können, dass Leute auf die Idee kommen, darüber zu diskutieren. Wenn das sportliche Ergebnis nicht stimmt, bekommt man das umgehend zu spüren, aber das ist die Branche."

Glauben Sie, dass ein anderer Trainer als Keller genauso harsch kritisiert würde zum gleichen Zeitpunkt?

Heldt "Wenn ein Verein wie Schalke 04 in der ersten Runde des Pokals ausscheidet, dann wird es vermutlich für jeden Trainer erstmal ungemütlich. Aber davon dürfen wir uns jetzt nicht beeindrucken lassen, denn wir haben die nächsten wichtigen Spiele bereits vor der Brust."

Wo steht Schalke 04 im August 2014?

Heldt "Nach dem Pokal mussten wir unsere Wunden lecken. Jetzt müssen wir unsere Ziele für die neue Saison ins Visier nehmen. Wir haben sicherlich keine einfache Vorbereitung gehabt. Wir hatten viele WM-Teilnehmer, die schleppend zurückgekommen sind, zudem hatten wir leider Gottes auch viele kleine Verletzungen. Ich bin aber dennoch davon überzeugt, dass wir eine gute Saison spielen werden."

Weltmeister Julian Draxler hat sich unlängst ungewöhnlich deutlich zu Wort gemeldet und bei seinen Mitspielern aufgrund der Verletztenmisere angezweifelt, ob sich außerhalb des Platzes alle optimal verhalten. Sind Ihre Spieler nicht diszipliniert genug, Herr Heldt?

Heldt "Wir haben die zweitjüngste Mannschaft in der Liga, nur bei Hoffenheim ist der Altersdurchschnitt noch niedriger. Natürlich begehen Menschen in jungen Jahren auch mal den einen oder anderen Fehler, wobei es keinen aktuellen Anlass gab. Julian hat seine Mitspieler in die Pflicht genommen und an ihre Eigenverantwortung appelliert. Jeder muss sich, wie alle anderen Menschen auch, mit seinem Job identifizieren. Ein Spieler sollte alles dafür tun, dass er verletzungsfrei durch die Saison kommt. Als Arbeitgeber haben wir das gerne gehört."

Die Personalie Draxler ist aber auch so eine unendliche Geschichte. Wie sehen Sie seine Perspektive in Gelsenkirchen?

Heldt "Ich merke und spüre, das Julian gestärkt von der WM zurückgekehrt ist. Er hat sich unglaublich viel vorgenommen. Ich bin davon überzeugt, dass er eine sehr gute Saison spielen wird. Er ist körperlich auf einem sehr guten Niveau. Julian ist 20 Jahre, ein Spieler mit herausragenden Fähigkeiten. Er ist und bleibt begehrt für Vereine, die bereit sind, viel Geld zu zahlen. Dieses Thema wird uns in jeder Transferperiode begleiten. Wir haben gelernt, damit umzugehen. Julian wird vielleicht bis zum Ende seiner Karriere bei Schalke bleiben, vielleicht wird er den Verein aber auch mal wechseln. Wir sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet und stehen in engem Austausch mit ihm. Für uns ist das keine erdrückende Situation."

Sehen Sie die Situation genauso entspannt bei Benedikt Höwedes, der angeblich auf der Liste einiger Klubs aus der Premier League stehen soll?

Heldt "Ich bin fast immer entspannt. Dazu hilft manchmal ein Blick zurück. Ein Verein wie Schalke ist nicht personenabhängig. Er hat schon viele Spieler mit herausragenden Fähigkeiten gehabt und auch hervorgebracht - die sind gekommen, und auch irgendwann wieder gegangen. Trotzdem blieb Schalke erfolgreich, denn es kommen ständig Spieler nach. Der Verein wird das verkraften können. Es gehört zu unserer Aufgabe, immer dafür zu sorgen, talentierte Spieler an die Liga heranzuführen. Man darf keine Angst vor Veränderungen haben."

Zielvorgabe ist wieder ein Platz unter den ersten drei?

Heldt "Wir haben jetzt drei Mal hintereinander die Champions League erreicht, das ist auch in dieser Saison unser Ziel. Aber eines ist klar: einige Klubs haben kräftig investiert. Es wird ein Hauen und Stechen um die begehrten Plätze geben."

Ist es heutzutage noch realistisch, ohne Unterstützung von Investoren den offenen Schlagabtausch mit der Konkurrenz einzugehen?

Heldt "Jeder muss seinen eigenen Weg definieren und sich fragen, ob er damit konkurrenzfähig sein kann. In den vergangenen zehn Jahren waren wir neun Mal im internationalen Geschäft dabei. Wir haben also durchaus einiges richtig gemacht. Wir haben auch viele Vorteile gegenüber anderen Klubs. Wir haben eine riesige, treue Anhängerschaft, ein tolles Stadion - so können wir Wettbewerbsnachteile kompensieren. Natürlich muss man sich ständig überprüfen."

Bei Borussia Dortmund steigen zwei Geldgeber mit kolportierten 115 Millionen Euro ein. Können Sie sich ein solches Geschäft auf Schalke auch vorstellen?

Heldt "Wir haben gemeinsam mit unseren Fans ein Leitbild verabschiedet, in dem wir uns darin bekennen, ein eingetragener Verein zu sein und auch zu bleiben. Das beinhaltet natürlich, dass wir keine Anteile am Verein verkaufen, sprich Großinvestoren ins Boote holen können, wie es andere Vereine jetzt gemacht haben. Unser Weg sieht anders aus."

Ist die Wettbewerbsfähigkeit von Schalke trotzdem gewahrt?

Heldt "Aus meiner Sicht schon. Natürlich muss man sich darüber Gedanken machen, wie der Fußball in zehn Jahren aussieht, wie entwickelt er sich? Es ist immer ein Spagat zwischen Modernisierung, Weiterentwicklung - aber auch der Bewahrung von Tradition."

Wie versuchen Sie vom Stress der Fußballbranche abzuschalten?

Heldt "Ich habe eine schlechte Angewohnheit, manchmal zur Zigarette zu greifen. Ansonsten bin ich ziemlich pflegeleicht..."

...es gäbe ja auch ganz banale Möglichkeiten, wie zum Beispiel ein Buch lesen.

Heldt (lacht) "Tatsächlich ist das eine gute Möglichkeit. Aber es fällt ehrlich gesagt unheimlich schwer, wirklich abzuschalten. Das Thema Fußball schwirrt immer im Kopf herum."

Gianni Costa führte das Gespräch

(RP)
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