Länderspiel gegen Frankreich Kroos — der variable deutsche Spielertyp

Bremen · Im deutschen Fußball gibt es ein neues Modewort – gefordert wird ein "polyvalenter Spieler", um gleiche mehrere Aufgaben zu erledigen. Der Münchner Mittelfeldspieler Kroos gehört zu den Musterschülern von Bundestrainer Löw. Sein Können kann er heute ( 20.45 Uhr/Live-Ticker) im Länderspiel gegen Frankreich unter Beweis stellen.

Das ist Toni Kroos
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Foto: ap, FS

Im deutschen Fußball gibt es ein neues Modewort — gefordert wird ein "polyvalenter Spieler", um gleiche mehrere Aufgaben zu erledigen. Der Münchner Mittelfeldspieler Kroos gehört zu den Musterschülern von Bundestrainer Löw. Sein Können kann er heute (20.45 Uhr/Live-Ticker) im Länderspiel gegen Frankreich unter Beweis stellen.

Die Fußballfans haben es auch nicht leicht. Gerade erst haben sie sich daran gewöhnt, dass der Mensch, den man früher den defensiven Mittelfeldmann rief, "Sechser" heißt, dann müssen sie lernen, dass der gelegentlich mit seinem Zwillingsbruder als "Doppelsechs" aufläuft. Inzwischen haben sie auch begriffen, dass der Job nicht mehr allein mit dem teutonischen Umgrätschen des gegnerischen Spielmachers erfüllt ist.

Aber schon wieder müssen sie sich neuen Herausforderungen stellen. Bundestrainer Joachim Löw hat vor dem Testspiel gegen Frankreich (heute, 20.45 Uhr/Live-Ticker) in Bremen und vor allen Dingen im Blick auf die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine die Stunde des variablen, überhaupt nicht mehr auf eine Rolle festgelegten Mittelfeldspielers ausgerufen. In einem schwer gebildeten Wort des späten Jupp Heynckes: den "polyvalenten Spieler", den mehrwertigen Athleten.

"Raum ist eng, Zeit ist knapp"

Der beschränkt sich nicht allein darauf, dem Gegner die Laune am Fußball zu vermiesen oder mit Siebenmeilenstiefeln und Pferdelunge die Räume zuzulaufen. Er eröffnet auch das Spiel aus dem defensiven Bereich und ist in der Lage, schnell in die offensive Position zu wechseln, entscheidende Pässe zu spielen und Tore zu schießen. "Der Raum ist eng, die Zeit ist knapp. Unter diesen Bedingungen müssen die Spieler schnell eine Lösung finden", sagt Löw. Sein Assistent Flick, den immer noch alle Hansi nennen dürfen, erklärt: "Die Position des Sechsers hat sich verändert. Die Spieler müssen offensiv und defensiv ihre Qualitäten haben." Und Altmeister Otto Rehhagel, dem nun auch wieder alle zuhören müssen, betont: "Das Spiel ist so schnell geworden, da gibt es keine festen Positionen mehr." Allenfalls Spieler, die schnell die Rollen wechseln können, als fußballerische Nummern-Boys, die mal Sechser, mal Achter, mal Zehner sind.

So einer ist Toni Kroos, gerade 22 Jahre alt und nach Löws Einschätzung einer, "der unheimlich zielstrebig und seriös ist, der Veränderungen mag". Er gehört zu einer modernen Spielergeneration, "die sehr schnell lernt und das Gelernte schnell umsetzt", wie sein Lehrmeister sagt. Klubtrainer Heynckes, der Kroos in Leverkusen förderte und bei Bayern München weiter hegt (Pausen wie am Sonntag gegen Schalke einbegriffen), schwärmt von seinem Musterschüler: "Das ist ein Stratege." Dieses Kompliment erteilt der Coach sonst nur dem heimlichen DFB-Auswahl-Kapitän Bastian Schweinsteiger, der seine Knieverletzung auskurieren muss.

"Eigentlich bin ich ein Achter"

Kroos hat schon an Schweinsteigers Seite gespielt, er war nominell defensiv orientiert, er hat im offensiven linken Mittelfeld seinen Platz gehabt, und er wurde auch schon in der Mitte aufgestellt. Am wohlsten fühlt er sich, wenn er den leicht nach vorn versetzten Sechser spielen darf. Und er sagt selbst: "Eigentlich bin ich ein Achter." Es hört sich aber gleich so an, als wolle er sagen: Vergesst den ganzen Zahlensalat.

Tatsächlich nähert sich das "Anforderungsprofil für diese Position", wie DFB-Sportdirektor Matthias Sammer so schön akademisch erklärt, dem Versuch des "Voetbal totaal" (Fußball total), den die Holländer mit ihrer großen Nationalmannschaft 1974 aufführten, der auf das Ajax Amsterdam der 70er Jahre zurückgeht und der beim FC Barcelona Wiederauferstehung feiert. Dort interpretieren Xavi, Sergio Busquets oder Iniesta ihre Räume völlig frei, tauschen die Stellen und sind auf jeder Position zu Hause. Sie bilden das Anschauungsmaterial für Löws Spielsystem. Und er träumt natürlich von dem Ideal eines Spielers, der in jeder Rolle das Richtige tut.

Kroos hat diese Fähigkeit an vielen Plätzen schon nachgewiesen. Dabei vergisst man gelegentlich, dass er tatsächlich erst 22 ist — seit Anfang des Jahres. Wahrscheinlich wird er also noch ein bisschen besser werden. Auch wenn das nicht so leicht vorstellbar ist.

(RP/can/top)
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