Vor Klassiker gegen Deutschland Maradona spaltet die Massen

München (RP). In der Heimat wird das einstige Fußball-Genie verehrt – trotz Skandalen, Drogen, Waffen. Als Nationaltrainer Argentiniens ist er umstritten und wenig umgänglich. Am Mitteoch (20.45 Uhr im Live-Ticker) trifft er in München auf Deutschland.

Diego Maradonas verrückter Südafrika-Trip
12 Bilder

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München (RP). In der Heimat wird das einstige Fußball-Genie verehrt — trotz Skandalen, Drogen, Waffen. Als Nationaltrainer Argentiniens ist er umstritten und wenig umgänglich. Am Mitteoch (20.45 Uhr im Live-Ticker) trifft er in München auf Deutschland.

Auch ein tröstendes Wort kann ganz schön gemein sein. Das hat gerade wieder der große Pele bewiesen. Der Brasilianer trat dem kaum weniger berühmten Diego Armando Maradona zur Seite und sprach: "Ich glaube nicht, dass es Maradonas Schuld war, als Argentinien Probleme in der WM-Qualifikation bekam." Schuld seien vielmehr Präsident Julio Grondona und dessen Kollegen im Verband, "die ihn in das Amt des Nationaltrainers gehievt haben".

Was Pele nicht sagte, was aber jeder hörte: "Er kann es nicht." Das haben schon viele gesagt, auch in Argentinien, das den Fußballer Maradona wie einen Säulenheiligen verehrt. Aber Maradona macht den Job trotzdem noch, seit 16 Monaten und morgen Abend im Münchner Testspiel gegen Deutschland.

Darauf freuen sich viele. Die meisten argentinischen Journalisten weniger. Denn die mag Maradona nicht. Aus Tradition. Vor 18 Jahren schoss er mal mit dem Gewehr auf Presseleute, die vor seinem Haus in Buenos Aires warteten. Und nach der extrem mühseligen Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Südafrika bedachte er seine Lieblingsfeinde vom Podium der Medienkonferenz mit einer Schimpftirade, die auf erstaunliche Weise die niedrigsten Geschmacksgrenzen noch mühelos unterlief. "Sie haben mich wie Abfall behandelt", dröhnte der Nationaltrainer, und er gab seinen Peinigern einen Ratschlag, gegen den das berühmte Götz-von-Berlichingen-Zitat klingt wie ein zartes Frühlingsgedicht.

Der Weltverband Fifa belohnte diesen Auftritt mit einer zweimonatigen Sperre. Damit kennt Maradona sich aus. In seiner aktiven Zeit haben ihn die bösen Funktionäre, seine zweitliebsten Feinde, gesperrt, nur weil er dem alternden Körper mit ein wenig Chemie wieder auf die Sprünge helfen wollte. Und wie das gesamte Fußball-Publikum haben sie seinen Werdegang in einer Mischung aus Bewunderung, Belustigung und Erschrecken begleitet. Maradona bleibt eine große Geschichte, vielleicht die irrste Geschichte, die der Fußball geschrieben hat.

Sie beginnt mit einem Spieler, für den die Gesetze der Sportphysik nicht zu gelten schienen. Einer, der den allgemeinen Maßstäben entrückte, der mit einem am Fuß festgeklebten Ball an armseligen Grobmotorikern vorbeiflog, die sich anschließend entweder zum Teampsychologen begaben oder verzweifelt über einen anderen Beruf grübelten. Sie erlebt einen Höhepunkt mit der WM 1986. Es ist sein bestes Turnier. Aber es bleibt in der Erinnerung auch das, in dem er mit der Hand ein Tor gegen England erzielt und dann von der inzwischen sprichwörtlichen "Hand Gottes" faselt. Seine Fans nahmen es ihm nicht einmal übel. Irgendeine übernatürliche Macht musste einfach im Spiel sein.

In seinem späteren, stets sehr öffentlichen Leben war Maradona drogenabhängig, ein spätrevolutionärer Kumpel von Kubas Präsident Fidel Castro, ziemlich fettleibig, dünn, pummelig und dick. Er prollte sich als Oberfan im Nationaltrikot durchs Nachtleben der WM in Deutschland, zahlte für seine Clique Champagner-Rechnungen, deren Höhe allein normale Menschen in Schwindelanfälle stürzen würden. Er protzte mit den typischen Insignien des Aufsteigers, dicken Brillant-Ohrringen, fetten Autos und Geld, Geld, Geld.

Dass Gauner scharf waren auf seine Bekanntschaft, dass sie ihn gern ausgenommen und benutzt haben, hat Maradona nie bemerkt. Er war zu aktiven Zeiten in Neapel nicht nur ein Freund der kleinen Leute, er pflegte auch Kontakte zur Mafia. Und ausgerechnet sein Manager versorgte den zunehmend in eine ganz eigene Wirklichkeit abtreibenden Star mit Kokain, dem Brennstoff der Schickeria.

Und jetzt ist er Argentiniens Nationaltrainer. Das ist so, als wenn in Deutschland eine Mischung aus Lothar Matthäus, Amy Winehouse und Jerry Lewis in diesem Amt zu bewundern wäre. Unvorstellbar also. Ein bisschen komisch, vielleicht ein bisschen tragisch. Aber natürlich unterhaltsam. Immerhin.

(RP)
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