Team-Gold in weite Ferne gerückt Nur "Mozart" Jung überzeugt bei deutschen Vielseitigkeitsreitern

Rio de Janeiro · Auf den letzten Metern flogen Michael Jung und sein unglaublicher Pegasus Sam über den weichen, grünen Teppich von Deodoro und landeten mitten in der olympischen Goldspur: Nach einem fehlerfreien, unfassbar geschmeidigen Geländeritt kämpft London-Olympiasieger Jung in der Vielseitigkeit erneut um Gold – ein Unterfangen, das für die deutsche Mannschaft fast schon aussichtslos ist.

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Foto: AP/Vincent Thian

Weltmeisterin Sandra Auffarth (Ganderkesee) leistete sich mit Opgun Louvo einen Fehler im Wasser und eine zusätzliche Zeitstrafe und büßte dadurch in der Einzelwertung auf Platz 20 alle Medaillenchancen ein. Die zweimalige Olympiasiegerin Ingrid Klimke (Münster/19.) war mit Hale Bob gut unterwegs, ehe ihr Pferd am letzten Wasser verweigerte. Olympia-Debütantin Julia Krajewski (Warendorf) mit Samourai du Thot wurde nach drei Verweigerungen sogar disqualifiziert.

Damit liegt Deutschland in der Gesamtwertung auf Platz vier hinter Neuseeland, Australien und Frankreich. Vom Bronzeplatz trennen das Team von Bundestrainer Hans Melzer elf Punkte, das entspricht drei Springfehlern. Zu Gold sind es 22 Punkte oder sechs Springfehler - im Normalfall nicht aufholbar.

Jung hat dagegen am Dienstag im Springen alle Chancen, seinen Coup von London zu wiederholen. "So muss Mozart mit verbundenen Augen Klavier gespielt haben. Das ist SAM-sationell", rief ARD-Reporter Carsten Sostmeier in sein Mikrofon: "Das war die Demonstration schlechthin."

Und Sostmeier untertrieb damit fast noch ein bisschen. Was Jung und Sam in die grünen Hügel von Deodoro zeichneten, war nichts anderes als Reiten in Perfektion. Scheinbar ohne jede Mühe nahm Sam, immerhin schon 16 Jahre alt und eigentlich gar nicht für Rio vorgesehen, jedes der 33 Hindernisse. Er meisterte alle 45 Sprünge mit bestechender Eleganz und blieb auf dem 5800 m langen Kurs locker in der vorgegebenen Zeit von 10:15 Minuten.

Im Sattel saß Michael Jung, locker, entspannt fast, ohne jede Anstrengung. Er gab seinem Pferd die Hilfen, die es brauchte, und er ließ die Zügel frei, wenn es in die Galoppstrecke ging. Sam wusste, was er tun musste, und Jung wusste, dass Sam es wusste: Die perfekte Harmonie zwischen Mensch und Tier.

Jung selbst blieb getreu seinem schwäbischen Naturell auch nach seinem Tiefflug durchs Gelände zurückhaltend. Beim Abreiten und auch im Stall sei es noch sehr unruhig gewesen, sagte er, "Sam hatte viel Druck von den Zuschauern und aus den Lautsprechern".

Deshalb habe er anfangs "fast zu viel gewollt, er ist losgaloppiert wie die Hölle". Unter dem Strich sei der Wallach "ein unglaubliches Pferd. Er galoppiert so kraftvoll, und er springt halt einfach alles. Im Ziel war er immer noch voller Energie und Dynamik."

Dass es dennoch nicht zur Führung reichte, liegt an dem für Jungs Verhältnisse eher mäßigen Dressurergebnis. Deshalb ist der 34-Jährige vor dem abschließenden Springen am Dienstag "nur" Zweiter hinter dem Australier Christopher Burton, der mit Santano II ebenfalls null ging. Beim Springen entspricht der Rückstand von Jung auf Burton einem einzigen Abwurf.

Ganz anders sieht es bei Sandra Auffarth aus. Die Weltmeisterin leistete sich mit Opgun Louvo im ersten Wasser einen leichten Fehler und blieb außerdem nicht in der Zeit. "So was hat er noch nie gemacht", sagte Auffarth nach dem Patzer: "Aber ich bin ihm nicht böse, wir beide haben schon so viel erreicht."

Für Julia Krajewski, die in letzter Minute für den eigentlich vorgesehenen Andreas Ostholt (Warendorf) in die deutsche Equipe aufgerückt war, lief alles schief. Dreimal verweigerte Samourai, damit war der Geländeritt für die beiden vorzeitig beendet. Ingrid Klimke lag klar auf Medaillenkurs, ehe Hale Bob das zweite Hindernis im letzten Wasser verweigerte.

(jaso/sb/sid)
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