Sotschi zeigt sich bunt, fröhlich, kitschig

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die XXII. Olympischen Winterspiele eröffnet. Die Feier war ein Kontrast zum sonstigen Gigantismus der Spiele. Die Kleidung des deutschen Teams passte zur Show.

Viel klassische, russische Musik, farbenfrohe Darbietungen mit dem süßlich-kitschigen Charme einer Eisrevue und das bei solchen Gelegenheiten mittlerweile unvermeidliche bombastisches Feuerwerk zum Abschluss – die Eröffnungsfeier der XXII. Olympischen Winterspiele hatte so gar nichts Bedrohliches, wie zu befürchten war. Die Russen haben sich nicht dazu hinreißen lassen, den festlichen Auftakt des 17-tägigen Sportfests am Schwarzen Meer als Demonstration von Macht und Stärke zu inszenieren. Das war gut so. Mehr als zweieinhalb Stunden dauerte die etwas zähe Zeremonie – der ewig lange Einmarsch der Nationen geht eben auch nicht schneller, wenn die Teams aus einer Klappe im Boden kommen. Das Fischt-Stadion geriet nur ordentlich in Wallung, als die russische Mannschaft einmarschierte.

Neue Maßstäbe hat Sotschi mit der Show "Dreams of Russia" keineswegs gesetzt. Es war eine Feier von der Stange. Sie ähnelte nicht der Eröffnung der Sommerspiele vor sechs Jahren in Peking, als 2008 Trommler bei vielen Besuchern für ein Gefühl der Beklommenheit gesorgt hatte. So originell und beschwingt wie im Sommer 2012 in London, als 70 Schafe, zwölf Pferde, zehn Hühner, neun Gänse durchs Stadion trollten und die (gedoubelte) Queen Elizabeth II. mit James Bond am Fallschirm ins Stadion schwebte, war's bei weitem nicht.

Eine Panne machte das Spektakel menschlich. Eine der leuchtenden Schneeflocken verwandelte sich nicht wie geplant in einen der fünf olympischen Ringen. Es ist eben nicht alles perfekt zu Beginn dieser Spiele. War's 2010 in Vancouver aber auch nicht. Damals erhob sich eine der Stelzen, die das olympische Feuer tragen sollten, nicht. Die Kanadier fingen diesen Lapsus bei der Schlussfeier sympathisch auf, als Kobolde die Stelze aus dem Boden der Eishalle zogen. Was wohl die Russen mit der Flocke anstellen?

Die bunten, von Willy Bogner gestalteten Jacken und Hosen der deutschen Sportler passten zum bunten Bild, das die Russen gestern Abend mit Zirkusleuten und Karnevalisten zeichneten, bevor Wladimir Putin die Spiele eröffnete. Der sichtlich stolze Präsident hielt sich zurück – ganz so wie es die protokollarischen Regeln Olympias verlangen. Eishockey-Torwartlegende Wladislaw Tretjak und Paarlauf-Idol Irina Rodnina entzündeten das Feuer gemeinsam auf eher unspektakuläre Art. Das wirkte angenehm zurückhaltend und wie ein Kontrapunkt zu all der Großmannssucht, die die Russen bei der Vorbereitung der ersten Winterspiele in ihrem Land deutlich gemacht haben.

Der neue IOC-Präsident Thomas Bach tat das, was er am besten kann. Er lavierte. Auf der einen Seite forderte er in seiner Ansprache die Politiker dazu auf, ihre Konflikte "nicht auf dem Rücken der Sportler auszutragen". Er meinte damit die ferngebliebenen Gauck & Co. und nicht die erschienenen 50 Staats- oder Regierungschefs. Und Bach rief Sportler, Offizielle, Zuschauer und die Fans in aller Welt dazu auf, "die Spiele zu genießen". Der fränkische Olympia-Chef sprach sich aber auch unzweideutig gegen Diskriminierungen "gleich aus welchen Gründen" aus. Außerdem dankte er ausdrücklich den Leuten vom Bau. Deren Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung gehörten zu den Kritikpunkten an Sotschi.

Ein hübscher Seitenhieb auf die klimatischen Bedingungen im Süden Russlands gelang den drei Sportlern von den Cayman-Islands: Sie marschierten in Bermudas und Flip-Flops in die Halle, durch die künstliche Schneeflocken tanzten.

Beim Zug durch die russische Geschichte wirkte die Darstellung des 20. Jahrhunderts ein wenig verstörend. Das Programmheft feiert die Stalin-Ära als "großartigen Versuch, eine ideale Gesellschaft und einen neuen Menschen zu schaffen, der bis heute seinen Widerhall in Malerei, Architektur, Poesie und Theater finde".

(RP)
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