Bundeskartellamt "Heimliche Aufschläge von Airlines stoppen"

Bonn · Der Präsident des Bundeskartellamts will Verbrauchern bei Problemen mit Online-Käufen zur Seite springen.

 Andreas Mund, Präsident des Bundeskartellamtes

Andreas Mund, Präsident des Bundeskartellamtes

Foto: dpa, fg sab

Beim Gespräch mit Andreas Mundt wird es plötzlich laut. Arbeiter mähen den Rasen der Villa Hammerschmidt, die neben dem Kartellamt liegt. Dessen Präsident bleibt gelassen. "Dann muss ich lauter sprechen." Auch bei der Durchsetzung des Wettbewerbs versteht er es, sich Gehör zu verschaffen.

Herr Mundt, lässt der Biss des Kartellamtes nach? 2016 gab es Bußen für 121 Millionen Euro, 2015 noch für mehr als 200 Millionen, 2015 sogar mehr als eine Milliarde.

Mundt Nein, wir verfolgen unerlaubte Absprachen und Kartelle mindestens so konsequent wie immer. Die Bußgeldhöhen schwanken von Jahr zu Jahr. Wir haben aber erneut zahlreiche Hinweise erhalten, denen wir nachgehen. Dabei spielt die Kronzeugenregelung eine wichtige Rolle. 2016 haben uns 53 Unternehmen Informationen über Verstöße in ihrer Branche gegeben, weil sie im Gegenzug auf eine mildere Behandlung hoffen. Bedeutung kommt auch der in den ersten Monaten 2017 anstehenden Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu. Wir erwarten, dass damit eine Gesetzeslücke geschlossen wird, die es verschiedenen Unternehmen in der Vergangenheit ermöglicht hatte, sich der Haftung für Ihre Kartellrechtsverstöße und dem Bußgeld zu entziehen.

2016 konnte Edeka sich Kaiser's Tengelmann weitgehend einverleiben, obwohl das Kartellamt dies ablehnte. Dabei gab es Klagen gegen die Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel, weil er angeblich heimliche Gespräche führte. Sollte die Ministererlaubnis nun wegfallen?

Mundt Wir kritisieren zwar, dass sich das Marktumfeld im Lebensmitteleinzelhandel nun zu Lasten der Verbraucher und der Lieferanten weiter verschlechtern wird, aber das Instrument der Ministererlaubnis sollte unbedingt beibehalten werden.

Warum?

Mundt Wir als Kartellamt bewerten nur, ob eine Fusion oder Übernahme für den Wettbewerb schlecht ist und prüfen keine anderen Kriterien. Wenn die Politik dagegen eine Fusion in einem Einzelfall wegen anderer Ziele wie beispielsweise der Arbeitsplatzsicherung doch genehmigen will, ist die Ministererlaubnis das dafür angemessene Instrument. Ich will die nun erteilte Erlaubnis nicht bewerten. Aber das Instrument der Ministererlaubnis ist grundsätzlich ein wichtiges Korrektiv.

Am Ende teilen Edeka und Rewe sich Kaiser's Tengelmann auf. Gut so?

Mundt Die vier Handelsketten Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl kontrollieren rund 85 Prozent des Lebensmittel-Einzelhandels. Wenn da nun der Größte unter den Kleinen wegfällt, kann sich das zu Lasten der Verbraucher in manchen Stadtteilen auswirken. Und die Beschwerden der Hersteller über die große Marktmacht werden sicher nicht weniger werden.

Wird es weiteren Ärger geben?

Mundt Die Branche wird uns zweifelsohne weiter beschäftigen. Die Konzentration auf Händlerseite schreitet nun voran. Ein wichtiges Musterverfahren über Forderungen, die Edeka nach unserer Auffassung in unbilliger Weise nach der Übernahme der Plus-Märkte von seinen Lieferanten erhoben hat, ist noch vor dem Bundesgerichtshof anhängig. Außerdem verschärft der Gesetzgeber mit der Novelle gerade die Missbrauchsaufsicht in diesem Bereich.

2017 könnte das Kartellamt auch noch Verbraucherschutzbehörde werden. Gut so?

Mundt Wir unterstützen diesen Vorschlag. Wir brauchen mehr Durchschlagskraft, um gegen massenhafte Verstöße gegen den Verbraucherschutz, wie sie im Internet vorkommen, vorgehen zu können. Im Moment können zwar einzelne Verbraucher klagen, wenn sie ihre Rechte verletzt sehen — aber jedes Urteil ist nur für diesen Fall gültig. Wenn wir als Behörde dagegen Verfahren durchführen können, könnten Entscheidungen unmittelbar einer großen Zahl von Verbrauchern helfen. Wenn also eine Fluggesellschaft beim Online-Buchen Aufschläge praktisch verheimlicht, könnten wir das abstellen, wenn ein Online-Versandhaus die Rückgabe von Waren unklar regelt, ebenso.

Warum machen Sie das nicht jetzt schon?

Mundt Momentan können wir nur gegen Rechtsverstöße vorgehen, die in einem engen Zusammenhang zu der wettbewerblichen Position eines Unternehmens stehen. Wir müssen zudem nachweisen, dass das Unternehmen über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Das sind Fragen, denen wir beispielsweise in unserem Facebook-Verfahren nachgehen. Diskutiert wird eine zusätzliche Eingriffsbefugnis.

Das klingt nach drohender Willkür einer Superbehörde.

Mundt Eine solche Zuständigkeit haben international zahlreiche Wettbewerbsbehörden. Es geht nicht darum, das in Deutschland etablierte System des privatrechtlichen Verbraucherschutzes zu ersetzen. Es geht darum, ausschließlich dort behördlich tätig werden zu können, wo dieses System gewisse Defizite aufweist. Das ist der Fall, soweit illegale Geschäftspraktiken, wie sie im Internet vorkommen, direkt viele hunderttausend oder Millionen Kunden treffen. Hier macht es Sinn, dass eine Behörde quasi stellvertretend für alle dagegen vorgehen kann.

Und was wird nun aus Ihrem Verfahren gegen Facebook?

Mundt Wir wollen das Verfahren schnell abschließen und arbeiten mit Hochdruck daran. Persönliche Daten haben eine große wirtschaftliche Bedeutung. Werden diese rechtswidrig erhoben, kann dies bei einem großen Unternehmen wie Facebook ein Verstoß gegen das Kartellrecht bedeuten.

Wie sehen Sie die Übernahme von Monsanto durch Bayer?

Mundt Die EU-Kommission ist für dieses Verfahren zuständig. Allgemein lässt sich aber feststellen: Es wird genaue Prüfungen bei Bayer-Monsanto geben, weil es bei Pflanzenschutzmitteln und Saatgut sehr viele einzelne Produktmärkte gibt, die untersucht werden müssen.

Der TV-Sender Sky hat das Bundeskartellamt verklagt, weil es die Deutsche Fußball-Liga zu einem Alleinerwerbsverbot der Live-Bundesligarechte drängte. Wie geht es nun weiter?

Mundt Die Beschwerde von Sky wird aller Voraussicht nach im kommenden Jahr vor Gericht verhandelt. Wir haben die Deutsche Fußball-Liga nicht zu irgendetwas gedrängt. Die Bundeligarechte müssen im Rahmen des geltenden Kartellrechts vergeben werden. Wir haben Wert gelegt auf Regelungen, die sicherstellen, dass im Ergebnis mehr als ein einziger Bieter die Live-Rechte erwirbt. Solange nur ein Inhaber der Live-Rechte am Markt ist, birgt dies die Gefahr, dass der Innovationswettbewerb — insbesondere der von internetbasierten Angeboten — beschränkt wird.

Was will Sky?

Mundt Das müssen Sie das Unternehmen fragen. Ich kann nur mutmaßen, dass sich das Unternehmen mehr Spielraum erhofft für künftige Rechtevergaben.

In der Luftfahrt bahnt sich eine Fusion zwischen Air Berlin und Lufthansa an. Was meint das Kartellamt?

Mundt Über ungelegte Eier spekulieren wir nicht. Klar wäre aber, dass die EU-Kommission oder wir uns den gesamten betroffenen Markt anschauen würden und dabei auch im Blick hätten, ob auf bestimmten Strecken eine mögliche Marktmacht entstünde.

Nach unseren Informationen prüft das Kartellamt, ob es wettbewerbsrechtlich in Ordnung geht, dass künftig 38 Jets von Air Berlin als sogenannter "Wet-Lease" inklusive Crews für die Lufthansa-Gruppe und speziell Eurowings fliegen.

Mundt Für die EU ist diese Kooperation kein Zusammenschluss im Sinne des europäischen Rechts, wir prüfen das jetzt nach dem deutschen Kartellrecht. Immerhin würde von der künftigen Air Berlin ein Drittel der Flotte für den Hauptwettbewerber fliegen. Es gibt da bisher keinerlei Vorentscheidung. Und es ist schon etwas anderes, wenn Flugzeuge verliehen werden, als wenn Strecken weitergegeben werden. Wir würden uns ja auch nie darum kümmern, wenn Eurowings neue Jets bei Airbus kauft.

REINHARD KOWALEWSKY UND GEORG WINTERS FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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