Ex-Umweltminister Töpfer im Interview "Wir müssen die Laufzeiten verkürzen"

Berlin (RP). Der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) hat die Bundesregierung im Interview mit unserer Redaktion aufgefordert, die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke wieder rückgängig zu machen.

Fukushima 1 - das zerstörte Atomkraftwerk
21 Bilder

Fukushima 1 - das zerstörte Atomkraftwerk

21 Bilder

In Fukushima kämpfen die Arbeiter verzweifelt gegen den GAU, die Kernschmelze in den Reaktoren. Wie viel Zeit bleibt ihnen noch?

Töpfer Die Zeit läuft ihnen davon. Die Kernschmelze kann heute, morgen oder übermorgen Realität werden. Es ist schon sehr beeindruckend, dass die Japaner unter Aufbringung aller Kräfte eine Kernschmelze mit katastrophalen Folgen über so lange Zeit überhaupt verhindern konnten.

Die Bundesregierung lässt die ältesten Atomkraftwerke abschalten, zunächst für drei Monate. Wie bewerten Sie das?

Töpfer Es wäre völlig unverständlich, wenn eine Regierung bei einer solchen Nuklearkatastrophe nach dem Motto vorginge, das geht uns alles nichts an, was im fernen Japan bei gänzlich anderen, bei uns nicht erwartbaren Ursachen geschieht. Schlimm wäre es, wenn die Regierung jetzt nur versuchen würde, ihr Gesicht mit Blick auf frühere Entscheidungen zu wahren. Das Abschalten der älteren Meiler ist absolut richtig.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Moratorium?

Töpfer Wir haben in Deutschland den großen Vorteil, dass wir uns über alle gesellschaftlichen Gruppen hinweg einig sind, dass die Kernenergie eine Brückentechnologie ist. Das ist einmalig in der Welt bei Nationen, die Kernenergie betreiben. Der gesellschaftliche Konflikt in Deutschland besteht nur in der Einschätzung, wie lang die Brücke sein soll. Ich meine: Wenn wir nun diese Katastrophe in Japan sehen, müssen wir die Brücke verkürzen! Wir müssen die Laufzeiten der Atomkraftwerke wieder verkürzen.

Brauchen wir auch strengere Sicherheitsauflagen für die Kernkraftwerke?

Töpfer Japan hat uns gezeigt, dass das, was wir uns bisher nicht vorstellen konnten, eben doch eintreten kann. Deshalb ist es richtig, wenn die Bundesregierung jetzt Szenarien mit einbezieht, die unsere Vorstellungskraft bisher überschritten haben. Natürlich müssen unsere Kernkraftwerke den bestmöglichen Schutz vor allen möglichen Gefahren bieten, als da wären: terroristische Angriffe, Abstürze von Passagierflugzeugen, Überschwemmungen, Erdrutsche, Cyber-Attacken — um nur diese Katastrophenszenarien zu nennen.

Wie schließen wir die Energielücke?

Töpfer Diese Frage kann nicht einfach und schnell beantwortet werden. Aber es gibt Entwicklungen, die neu bewertet werden können und die bei der Überwindung der Energielücke herangezogen werden können. Dies gilt für den Stellenwert von Erdgas. Neue Techniken ermöglichen die Nutzung erheblicher zusätzlicher Gasmengen. Dies gilt vor allem für die USA, die nicht mehr Gas importieren muss, sondern eher zum Gasexporteur werden wird. Gas könnte einen wichtigen Beitrag dazu liefern, die Brücke der Kernenergie zu verkürzen und den Weg zu erneuerbaren Energien schneller zu gehen.

Wie sieht es aus mit einer Renaissance der Kohle?

Töpfer Es muss künftig darum gehen, fossile Brennstoffe wie die Kohle so zu nutzen, dass dabei entscheidend weniger oder gar kein CO2 die Umwelt belastet. Mit diesem Ziel werden interessante Forschungen etwa in Jülich betrieben. CO2 muss als Ressource für neue Produkte sowie für die Energiegewinnung selbst genutzt werden. Die Natur macht uns das vor: Die Photosynthese zeigt, wie CO2 ein unersetzlicher Bestandteil für Wachstum in der Natur wird.

Wird der Umbau des Energiesystems die Strompreise erhöhen?

Töpfer Energie wird auch ohne den notwendigen Umbau teurer. Das liegt einfach daran, dass fossile Brennstoffe endlich sind. Hinzu kommen Spekulationen oder die Gefährdung der Sicherheitslage in den Erdölländern. Der Verbraucher kann täglich an der Tankstelle erleben, wie sich das auswirkt. Wenn wir dazu kommen, beim Energieumbau die Marktkräfte durch den Wettbewerb, durch dezentrale Energieversorgung, durch einen Preis für CO2 zu stärken, kann das dazu beitragen, die Strompreise zu dämpfen.

(csr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort