"Ich, Daniel Blake" Packendes Sozial-Drama von Ken Loach

Düsseldorf · "Ich, Daniel Blake" wurde in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Der Film hat es verdient.

 "Ich, Daniel Blake" wurde mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

"Ich, Daniel Blake" wurde mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

Foto: dpa, awi_gr his bsc

Als Ken Loachs Film "Ich, Daniel Blake" mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, staunte das Fachpublikum. Dass die Jury in Cannes dem 80-jährigen Briten mit einem seiner üblichen Sozialdramen den Vorzug vor einer jungen, innovativen Filmemacherin wie Maren Ade gab, war für viele eine herbe Enttäuschung. Aber schaut man sich "Ich, Daniel Blake" einmal in Ruhe und ohne Konkurrenzgetümmel an, kann man feststellen: Es stimmt, Loach tut hier das, was er immer tut, aber er tut es so gut wie nie zuvor.

Im Mittelpunkt des Films steht der Tischler Daniel Blake (Dave Johns), der im Alter von 59 Jahren einen Herzinfarkt erlitten hat und nach Meinung der Ärztin nicht wieder arbeiten darf. Aber die "Gesundheitsdienstleisterin", die telefonisch seinen Anspruch auf Sozialhilfe untersucht, kommt zu einem anderen Schluss. Schließlich hat der Mann auf die Frage, ob er mehr als 15 Schritte gehen und die Arme so heben kann, als ob er einen Hut aufsetzt, mit "Ja" geantwortet. Durch den Ablehnungsbescheid fällt Daniel durch das grobe Raster des britischen Sozialsystems.

Fast schon kafkaeske Züge tragen die Gespräche mit den Behördenvertretern, die Sanktionen androhen, wenn die Vorgaben nicht erfüllt werden, oder immer wieder auf Online-Formulare verweisen, die Daniel nicht ausfüllen kann, weil er keinen Computer hat. Stunden verbringt der Antragsteller in den Warteschleifen behördlicher "Hotlines", nur um zu erfahren, dass man ihm nicht helfen kann, weil sich der "Entscheidungsträger" zuerst bei ihm melden muss.

Es ist ein System sukzessiver und permanenter Erniedrigung, das darauf ausgerichtet ist, die Bittsteller abzuwimmeln. Es geht nur noch darum, die Fassade des Sozialstaates aufrechtzuerhalten. Aber "Ich, Daniel Blake" ist weit mehr als ein Klagelied über die Demontage des Sozialstaates, die in Großbritannien wegen Margaret Thatcher schon sehr viel früher angefangen hat als hierzulande. Denn Loach zeigt mit kompromissloser Sensibilität die Menschen hinter den Sozialversicherungsnummern.

Auf dem Amt lernt Daniel die junge alleinerziehende Mutter Katie (Hayley Squires) kennen, die gerade aus London nach Newcastle gezogen ist, nachdem sie dort mit ihren beiden Kindern zwei Jahre in einem Obdachlosenheim gelebt hat. Katie hofft auf einen Neuanfang, aber weil sie wenige Minuten zu spät zum Termin kommt, wird ihr erst einmal die Sozialhilfe für ein paar Wochen gestrichen.

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Daniel kümmert sich um die drei, so gut er kann. Die Wohnung ist ungeheizt, weil Katie die Stromrechnung nicht bezahlen kann, und so baut Daniel aus ein paar Teelichten und zwei Blumentöpfen einen kleinen Tischheizer für die Kinder. Es sind kleine Details wie diese, mit denen Loach Liebenswürdigkeit und Realismus eng miteinander verknüpft.

In "Ich, Daniel Blake" offenbart sich ein tiefer, unideologischer Humanismus, ein aufrichtiges Mitgefühl gegenüber den Figuren, aber auch eine messerscharfe, hochaktuelle Gesellschaftsanalyse. Viele Filme wird Loach nicht mehr machen, und engagierte Regisseure wie er wachsen nicht mehr nach. Die Palme sei ihm gegönnt.

Ich, Daniel Blake, Großbritannien, Frankreich, 2016 - Regie: Ken Loach mit Dave Johns, Hayley Squires, 101 Min.

(RP)
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