Bochum Teure Kunst für die A 40

(RP). Am 18. Juli wird die Autobahn A 40 zwischen Dortmund und Duisburg für "die längste Tafel der Welt" einen Tag lang gesperrt. Vorher wollen die Anliegerstädte die Straße hübsch machen – ohne verkehrstechnischen Nutzen und für gut eine Dreiviertelmillion Euro aus Steuergeld.

Ruhr 2010: Die längste Tafel der Welt
7 Bilder

Ruhr 2010: Die längste Tafel der Welt

7 Bilder

(RP). Am 18. Juli wird die Autobahn A 40 zwischen Dortmund und Duisburg für "die längste Tafel der Welt" einen Tag lang gesperrt. Vorher wollen die Anliegerstädte die Straße hübsch machen — ohne verkehrstechnischen Nutzen und für gut eine Dreiviertelmillion Euro aus Steuergeld.

Mitten im Spaghetti-Knoten des Autobahnkreuzes Duisburg-Kaiserberg steht an einem zehn Meter hohen Gerüst eine unförmige schwarze Fläche. In deren Mitte prangt ein Loch. Sieht aus wie ein Schuldenberg mit integriertem Haushaltsloch. Darstellen soll der abstrahierende Umriss jedoch die Gesteinsformation "Delicate Arch" im US-Bundesstaat Utah. Die Arbeit von Rita McBride, Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf, berichtet laut Projektbeschreibung "von der Maßstabsverschiebung im Rausch der Geschwindigkeit" und fungiert als "Naturdenkmal in einer vollkommen kulturalisierten Industrielandschaft Ruhr, in der das Natürliche einen virtuellen Wert mit Alleinstellungsmerkmal darstellt".

Zu den Detailkosten dieser Installation schweigen die Initiatoren. Sie ist Teil des Projekts "B1|A40 — Die Schönheit der großen Straße", mit dem die Anliegerstädte des Ruhrschnellwegs, der früher einmal die Bundesstraße 1 war, der Hauptverkehrsader den Glanz einer "Champs-Élysées des Ruhrgebiets" verleihen wollen, wie es der Düsseldorfer Projektleiter Markus Ambach formuliert. Vor zwei Jahren beschlossen die Städte einen "Masterplan" für die künftige Gestaltung der Autobahn. Allein dieses Papier ließen sich Unna, Dortmund, Bochum, Essen, Mülheim, Duisburg und Moers gemeinsam mit dem Bund 150 000 Euro kosten.

Nochmals 100 000 Euro wurden für ein "Gestalthandbuch" ausgegeben. Karl-Heinz Petzinka, einer der vier künstlerischen Direktoren der Kulturhauptstadt (und wie "Delicate Arch"-Schöpferin Rita McBride Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie), sagte den Initiatoren für den weiteren "künstlerischen Prozess" 260 000 Euro aus den Mitteln der Ruhr2010 GmbH zu. Daraus wurden zwar "nur" 110 000 Euro, aber die Kunststiftung NRW legte 140 000 Euro drauf. Nochmals 130 000 Euro kamen von der Stadtbaukultur NRW, bei der niederländischen Regierung und der Stadt Rotterdam wurden rund 25 000 Euro eingeworben.

Die am Rande des Bankrotts lavierenden Städte Bochum (Schulden: 1,4 Milliarden Euro), Duisburg (1,85 Milliarden), Mülheim an der Ruhr (0,9 Milliarden), Essen (3 Milliarden) und Dortmund (1,3 Milliarden), die Schwimmbäder, Bibliotheken und Schulen schließen müssen, tragen "die verbleibenden Kosten", wie es die federführende Stadt Bochum formuliert. Macht nochmals rund 100 000 Euro — alles in allem mehr als 750 000 Euro für "die Schönheit der großen Straße", die mit 125 000 Fahrzeugen pro Tag eigentlich andere Probleme als einen Mangel an Schönheit hat.

Dank des Gestalthandbuchs zieren die Stützwände der tiefergelegten A 40 in Essen nach der Sanierung (6,7 Millionen Euro) nun überwiegend verwaschen grüne Schallschutz-Elemente, auf denen dem Essener WM-Torschützen von 1956, Helmut Rahn, mit Auszügen aus der Radio-Reportage von Herbert Zimmermann ein Denkmal gesetzt wurde; die letzten Buchstaben an den Brücken brachte NRW-Verkehrsminister Lutz Lienenkämper (CDU) persönlich an. In Bochum wurde es etwas bunter. Bürger durften aus einer vorgegebenen Farbpalette Strichcode-Muster für die Schallschutz-Elemente komponieren. "Heiteres Braun und Beige" soll dort nun für den "Café Latte im Stau" stehen; Rot und Weiß auch mal für den Ketchup und die Mayonnaise des Imbiss-Klassikers "Pommes Schranke". Die "partizipative Schallschutzwand" soll zu einer "höheren Identifikation zwischen Straßenraum und Anliegern" beitragen.

Aufgehübscht wird mit der Straßenbegleitkunst, auf die mit kleinen braunen Autobahn-Schildchen hingewiesen wird, eines der teuersten Infrastruktur-Projekte des Landes. Zwischen dem Kreuz Dortmund-West und der Stadtgrenze Unna sollen in den kommenden zehn Jahren nach den Plänen des Landesbetriebs Straßen NRW rund 550 Millionen Euro auf einer Straßenlänge von knapp 20 Kilometern verbaut werden. Zwischen Essen und Bochum werden aktuell mehr als 100 Millionen Euro in den sechsspurigen Ausbau der A 40 gesteckt.

Straßenschönheits-Projektleiter Ambach sieht die A 40 im "Verschmelzen der Ruhrstädte zur Metropole" vom problematischen Verkehrsraum zum "Boulevard der Ruhrmetropole" werden. Eine aktuelle Studie der Westfalen-Initiative zum Handlungsbedarf im Bereich der Verwaltungsstrukturen für das Ruhrgebiet kommt dagegen zu dem Ergebnis: "Es gibt im Ruhrgebiet vor allem ein Problem mangelnder interkommunaler Zusammenarbeit." Die dürfte mit der Gestaltung von Standstreifen und Resträumen in Autobahnkreuzen kaum zu ersetzen sein.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort