Leichtbau und Gewichtsverlust für alle Jetzt speckt auch die Kompaktklasse ab

Düsseldorf · Karosserien aus Karbon, Rahmen aus Aluminium und Bremsen aus Keramik - bislang war der sogenannte Leichtbau meist Supersportwagen und Luxuslimousinen vorbehalten. Jetzt aber speckt auch die breite Masse ab. Doch alle Mühe verpufft, wenn der Autofahrer nicht mitspielt.

Leichtbau: Jetzt verliert die Kompaktklasse Gewicht
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Leichtbau ist offenbar eine schwere Übung. Denn obwohl mit jedem Kilogramm Verbrauch und CO2-Ausstoß steigen, werden die Autos immer schwerer: "Das Durchschnittsgewicht der Neuwagen ist in der Vergangenheit im Schnitt um zehn Kilogramm pro Jahr gestiegen", zitiert Leichtbauexperte Nico Depner von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen die Fachliteratur. Größer sind die Autos geworden, müssen immer strengeren Sicherheitsanforderungen genügen und auch den Komfortwünschen der Fahrer. Das alles geht aufs Gewicht.

Depner arbeitet am Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen und hat derzeit besonders viel zu tun: Denn um ihre CO2-Ziele zu erfüllen, achten die Autohersteller vermehrt auf die Waage und machen Leichtbau zum Schwerpunkt der Entwicklung. Etwa Audi-Entwicklungsvorstand Michael Dick verspricht, dass alle neuen Audis künftig weniger wiegen werden als ihre Vorgänger.

Bislang haben die Hersteller beim Leichtbau auf teures Material und aufwendige Verfahren gesetzt: So findet man Karosserien aus Karbon und Aluminium nur bei Supersportwagen wie dem Lamborghini Aventador oder Mercedes SLS und Luxuslimousinen wie Audi A8 oder Jaguar XJ. Doch jetzt erreicht die Diätwelle ganz normale Fahrzeuge: Kleinwagen wie der Peugeot 208, Geländewagen wie der Mazda CX-5 und Kompaktklasse-Modelle wie der Audi A3 specken ohne nennenswerten Preisaufschlag gehörig ab.

Der Mazda CX-5 nutzt dazu eine neue Plattform, eine neue Karosseriestruktur mit hochfesten Stählen und gewichtsoptimierte Motoren und Getriebe. Offenbar hat sich die Mühe gelohnt: "Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Konstruktion ist das Auto rund 100 Kilo leichter geworden", sagt Entwicklungschef Hirotaka Kanazawa.

Einen noch größeren Erfolg reklamiert Peugeot für den neuen 208. Dass der Kleinwagen im Schnitt 110 und im besten Fall 173 Kilogramm weniger wiegt als der Vorgänger 207, liegt allerdings nicht allein am neuen Material: "Der Wagen ist deutlich kleiner als vorher", sagt Pressesprecher Bernhard Voß. Statt wie sonst bei jedem Generationswechsel in die Länge zu gehen, haben die Franzosen den 208 um sieben Zentimeter beschnitten.

Verstärkt auf neue Materialien setzt dagegen Audi. War Aluminium bislang vor allem den großen Modellen vorbehalten, hält es in Motorhaube und Kotflügel der Kompaktklasse Einzug. "Das spart über neun Kilogramm", sagt Pressesprecher Albrecht Trautzburg und weist für das gesamte Modell einen Gewichtsvorteil von 80 Kilogramm aus.

Neben Aluminium rücken auch Kunststoffe in den Fokus der Konstrukteure: Scheiben aus Polycarbonat zum Beispiel seien deutlich leichter als aus Glas, sagen die Entwickler. Und wenn Felgen wie an der Smart-Designstudie Forvision von 2011 einmal aus Kunststoff gegossen sind, spart man mit jedem Rad gegenüber Aluminium etwa drei Kilogramm, so Volker Warzelhan vom Chemieriesen BASF.

Leichtbau-Experte Depner von der RWTH Aachen sieht für die Zukunft noch viel Potenzial: "Ultrahochfeste Stähle, die bei weniger Gewicht mehr Stabilität bieten, sind längst noch nicht Standard. Und mit einzelnen Aluminiumbauteilen wie Türen und Hauben kann man für vergleichsweise kleines Geld eine große Einsparung erreichen." Und natürlich sei auch das Motoren-Downsizing ein wichtiger Schritt: Wer die gleiche Leistung aus vier statt sechs Zylindern hole, könne bis zu 30 Kilogramm sparen.

Außerdem werde mit jeder Gewichtsreduktion eine Spirale in Gang gesetzt, die weitere Kilos spare: Ein leichteres Auto braucht weniger Sprit. Depner nennt folgende Faustformel: "100 Kilogramm Gewichtseinsparung bringen im Normverbrauch zwischen 0,3 und 0,4 Liter." So kommen abgespeckte Autos mit kleinerem Tank aus, der ebenfalls weniger auf die Waage bringt. Dann könnten die Entwickler einen kleineren Motor einbauen, die Bremsen und das Fahrwerk weniger stark auslegen, und auch bei der Crash-Struktur etwas einsparen, ohne dass die Sicherheit leide, so der Experte.

Doch das Feilschen um jedes Gramm hilft nichts, wenn der Autofahrer eine einfache Regel missachtet. "Was nützt ein leichtes Auto, wenn man einen Kofferraum voll unnützer Sachen mit sich herumfährt?", fragt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigen-Organisation KÜS in Losheim am See. Die Schneeketten aus dem Winterurlaub oder die volle Getränkekiste vom Wochenendeinkauf sollten also nicht ohne Grund umher kutschiert werden, rät der Experte.

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