Quelle des H7N9-Virus noch unbekannt Experten rätseln über neue Vogelgrippe

Schanghai · Die Zahl der Patienten, die in China am H7N9-Virus erkrankt sind, erhöht sich zwar nur langsam – aber sie wächst. Das neue Virus löst bei Geflügel offenbar keine Symptome aus. Es könnte in den Tierbeständen schon weit verbreitet sein.

Die Zahl der Patienten, die in China am H7N9-Virus erkrankt sind, erhöht sich zwar nur langsam — aber sie wächst. Das neue Virus löst bei Geflügel offenbar keine Symptome aus. Es könnte in den Tierbeständen schon weit verbreitet sein.

Auch sechs Wochen nach dem ersten Auftreten suchen Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch nach der Quelle des neuen Vogelgrippe-Virus H7N9. Die chinesischen Behörden haben bisher bestätigt, dass sich mindestens 24 Menschen angesteckt haben. Sieben davon sind gestorben. Die Fälle traten in Schanghai und drei weiteren Provinzen an der Ostküste auf. Die Gefahr einer regionalen Epidemie wie vor zehn Jahren beim H5N1-Virus sehen die Gesundheitsexperten aber nicht. In Schanghai und den Städten Nanjing und Hangzhou wurden alle Geflügelmärkte geschlossen, nachdem der Erreger bei Vögeln diagnostiziert worden war. Nach Behördenangaben wurden 98 000 Vögel vorsorglich getötet.

Der neue Virentyp konnte sich bereits über drei Provinzen verbreiten. Warum wurde er erst so spät entdeckt? Weil in China permanent Menschen an Vogelgrippe erkranken, sind die Behörden bei betroffenen Geflügelbeständen eigentlich recht kompromisslos. Zu den Besonderheiten von H7N9 gehört aber, dass das Geflügel durch den Erreger keine Krankheitssymptome zeigt, ihn aber dennoch verbreiten kann. H7N9 ist deshalb bisher nicht aufgefallen. Die Seuchenexperten sehen das als Hauptgrund, warum die weite Verbreitung des neuen Virentyps erst spät erkannt wurde. Landesweite Tests sollen jetzt Aufschluss über das Ausmaß der Infektion unter den Tieren geben. Offenbar sind Tauben besonders anfällig. Sie werden in China gezüchtet und auf Märkten als Nahrungsmittel gehandelt.

Ist das Virus wirklich neu? Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten. Es ist typisch für verschiedene Klassen von Vogelgrippe-Viren, dass sie Bestandteile austauschen und dadurch neue Arten entstehen. Die eine wesentliche Strukturkomponente, H7, ist bei Vögeln in Asien weit verbreitet. Zwischen 1996 und 2012 wurden auch in Europa immer wieder Menschen mit dem H7-Typ infiziert, aber sie entwickelten als Symptome überwiegend nur Bindehautentzündung und leichte Erkältungen. Beim anderen Bestandteil, N9, rätseln die Forscher noch über die Herkunft. Er wurde bisher aus Tschechien gemeldet, berichtet die WHO, die alle bekannten Vogelgrippefälle registriert und auswertet. Ein weiteres Detail des bereits gut untersuchten Virus ist auffällig: Es zeigt eine genetische Veränderung, die es dem Erreger ermöglicht, auch die menschliche Lunge zu infizieren, wenn er tief eingeatmet wird. So hat H7N9 quasi gelernt, auch Menschen zu infizieren.

Wie gefährlich ist das Virus? Das lässt sich noch nicht sagen. Erste Erkenntnisse deuten auf eine geringe Bedrohung für den Menschen. Zum einen scheint die Infektionsgefahr niedrig: Wenn es stimmt, dass das Virus bereits länger in drei chinesischen Provinzen existiert, müsste es sonst viel mehr Ansteckungsfälle unter Geflügelzüchtern, -händlern und schlachtern geben. Wenn die Patienten rechtzeitig ins Krankenhaus kommen, können sie erfolgreich behandelt werden.

Ist eine Reise nach China gefährlich? Da es bisher keine Infektionen von Mensch zu Mensch gab, ist das Ansteckungsrisiko sehr klein. Die WHO rät noch nicht einmal davon ab, Vogelmärkte zu besuchen. Allerdings sollte man den intensiven Kontakt zu Vögeln vermeiden. Reisen nach China — auch in die betroffenen Gebiete — sind unbedenklich.

Überträgt sich das Virus über Lebensmittel auch nach Europa? Es ist denkbar, dass geschlachtetes Geflügel aus den betroffenen Regionen in China mit dem Virus infiziert ist. Allerdings werden Vogelgrippe-Viren bei der Nahrungsmittelzubereitung meist getötet, sie sterben bei Temperaturen oberhalb von 70 Grad vollständig ab. Vom Verzehr von rohem Hühnerfleisch raten Hygieneexperten aus verschiedenen Gründen ab, Vogelgrippe zählt dabei zu den geringeren Gefahren.

Kann man chinesischen Behörden trauen? Beim Ausbruch von Sars im Jahr 2003 wurde in China viel vertuscht. Diesmal beschreibt die WHO die Zusammenarbeit als offen, gut und kompetent.

(RP/sgo/sap)
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