Die wichtigsten Antworten So sollen Europas Verbraucher mehr Rechte bekommen

Brüssel · In den USA gehören Sammelklagen zum Alltag. Betroffene können in Gruppen Unternehmen auf Schadenersatz verklagen. Die EU hat dies auch erwogen - doch daraus wird erstmal nichts. Verbraucherschützer sind enttäuscht. Doch Kunden können sich durchaus vor Gericht wehren.

Die wichtigsten Antworten: So sollen Europas Verbraucher mehr Rechte bekommen
Foto: dpa, Andreas Gebert

Überhöhte Telefonrechnungen, schlechte Finanzberatung und Nebenwirkungen von Medikamenten - oft ist der Ärger bei Europas Verbrauchern groß. Wer vor Gericht von Firmen Entschädigung verlangt, muss den langwierigen Rechtsweg einschlagen. Die EU-Kommission möchte es Bürgern und kleinen Firmen leichter machen. So sehen die Vorschläge aus.

Wie kann ein geschädigter Verbraucher sein Recht bekommen?

Er muss vor Gericht gegen das Unternehmen klagen. In Deutschland muss dabei jeder Bürger einen Anspruch, den er gegen einen anderen zu haben glaubt, individuell geltend machen. Dabei können Verbraucher durchaus gemeinsam vorgehen, etwa wenn geprellte Anleger von Fonds Interessengemeinschaften bilden oder Anlegerschutzvereine klagen.

Was versteht man unter einer Kollektivklage?

Dabei schließt sich eine größere Zahl von Geschädigten in einem Prozess zusammen, um gleiche Interessen durchzusetzen. Es gibt zwei Arten von Kollektivklagen: Bei der Gruppenklage gilt das Urteil für alle Beteiligten. Beispiel ist die Klage von NS-Zwangsarbeitern gegen deutsche Unternehmen. Bei der Verbandsklage machen Verbände oder Interessenvereinigungen Ansprüche gelten, etwa im Natur- oder Umweltschutz.

Welche Nachteile hat das?

Kunden scheuen oft den Rechtsweg. Häufig ist der Streitwert gering, ein Anwalt teuer und der Prozess kann lange dauern. Bei Gruppenklagen werden individuelle Besonderheiten jedes Falls nicht berücksichtigt. Verbraucherverbände fordern daher seit langem Muster- und Sammelklagen wie in den USA. Dabei haben auch Betroffene, die nicht selbst geklagt haben, Anspruch auf Schadenersatz - sofern das Gericht diesen den Klagenden zuspricht. Für ein Unternehmen kann das teuer werden.

Was empfiehlt die EU-Kommission?

Dass alle EU-Staaten kollektive Rechtsschutzverfahren zulassen sollen. Und zwar in den Bereichen Wettbewerbs-, Verbraucher-, Unweltschutz und bei Finanzdienstleistungen. Also dort, wo das EU-Recht den Bürgern bestimmte Rechte garantiert. Sammelklagen empfiehlt Brüssel aber ausdrücklich nicht.

Was wird sich dadurch ändern?

Gar nicht so viel. In Deutschland kennt man keine Sammelklagen. Nach den EU-Empfehlungen sollen sich in Europa Schadenersatz-Urteile weiter an dem tatsächlich entstandenen Verlust orientieren. Abschreckende höhere Strafen soll es nicht geben. Brüssel hat davon Abstand genommen, dass Geschädigte stellvertretend für andere Opfer klagen können, ohne sich der Klage anschließen zu müssen ("opt-out"). Anwälte sollen keine erfolgsabhängigen Honorare kassieren.

Können EU-Bürger nun auf Millionen-Schadenersatz hoffen?

Nein. Astronomische Summen, wie sie in den USA üblich sind, sind nicht zu erwarten. Fälle wie in Amerika soll es in Europa laut Brüssel nicht geben. Dort hatte eine Frau ein Millionen-Schmerzensgeld von McDonald's erhalten, weil sie sich heißen Kaffee auf den Schoß geschüttet hatte. Und ein an Lungenkrebs leidender Raucher erhielt hohe Entschädigungssummen von Zigarettenkonzernen. "Die Gefahr von mutwilliger Prozessiererei und Klagemissbrauch [wird] vermieden", sagt EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Verbraucherschützer kritisieren dies als zu industriefreundlich.

Was ist, wenn Firmen überzogene Preise fordern?

Dann sollen EU-Bürger und kleine Firmen es leichter haben, vor Gericht Entschädigung einzuklagen. Die EU-Kommission will ihnen mehr Rechte geben, etwa Akteneinsicht und Anspruch auf Offenlegung durch das Unternehmen. "Hindernisse und Rechtsunsicherheit müssen beseitigt werden", sagt EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Hat etwa ein Hersteller von Flachbildschirmen zu hohe Preise verlangt, kann nach EU-Angaben jeder Käufer die zuviel gezahlte Summe zurückverlangen. Zum Beispiel mit Hilfe einer Gruppenklage.

Wie geht es weiter?

Die EU-Staaten haben zwei Jahre Zeit, die Empfehlungen zum kollektiven Rechtsschutz umzusetzen. Doch letztlich müssen die EU-Staaten dem nicht folgen, da die Vorschläge unverbindlich sind.
Ein EU-Diplomat sagt: "Die EU-Staaten können machen, was sie wollen."

(dpa/ham/csi)
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