Duisburg Zahl der Kirchenaustritte verdreifacht

Duisburg · Die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst zeigt in Duisburg unleugbar Wirkung. Im Monat Oktober sind 107 Katholiken aus der Kirche ausgetreten. Durchschnittlich treten etwa 30 Katholiken aus der Kirche aus.

 Widersprüchlich: Im Duisburger Norden kämpfen engagierte katholische Christen für den Erhalt ihrer Kirche, während andere sich von der "offiziellen" Kirche abwenden.

Widersprüchlich: Im Duisburger Norden kämpfen engagierte katholische Christen für den Erhalt ihrer Kirche, während andere sich von der "offiziellen" Kirche abwenden.

Foto: andreas probst (archiv)

In den Bistümern sind die Zahlen über die aktuellen Kirchenaustritte noch gar nicht bekannt. Sie werden erst in den kommenden Wochen gesammelt und ausgewertet. Doch beim Duisburger Amtsgericht, wo alle Kirchenaustritte zunächst registriert werden, weiß man schon Bescheid: Im Monat Oktober ist die Zahl der Kirchenaustritte dramatisch angestiegen, speziell bei den Katholiken. Während laut Statistik im Monatsdurchschnitt etwa 30 Duisburger Katholiken aus der Kirche austreten, so waren es vom 1. Oktober bis gestern 107, also dreimal so viel wie üblich.

 Stadtdechant Bernhard Lücking will im persönlichen Gespräch das Vertrauen in die Kirche zurückgewinnen.

Stadtdechant Bernhard Lücking will im persönlichen Gespräch das Vertrauen in die Kirche zurückgewinnen.

Foto: Andreas probst (archiv)

Beim Amtsgericht wird nur die Statistik geführt, nach den Motiven für den Kirchenaustritt fragt man dort nicht. Aber gleichwohl kann man davon ausgehen, dass die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst das Motiv für die Kirchenaustrittswelle ist, die offenbar überall im Lande zu bemerken ist.

Mit einigen Austritten wegen des inzwischen "beurlaubten" Bischofs hat Stadtdechant Bernhard Lücking zwar gerechnet, doch zeigte er sich angesichts der Amtsgerichtszahlen, von denen er erst durch die RP erfuhr, entsetzt und traurig. Der katholische Geistliche hat ebenfalls keinen Zweifel daran, dass viele Duisburger Katholiken wegen der Limburger Bischofsaffäre der Kirche den Rücken gekehrt haben. Für einige mögen die Schlagzeilen der vergangenen Wochen und Tage dabei der letzte Auslöser zum Kirchenaustritt gewesen sein.

All das sei überaus betrüblich, meint Lücking. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in der der neue Papst zur neuen Bescheidenheit aufruft und damit eine Aufbruchstimmung initiiert habe, bei der Glaubwürdigkeit, Barmherzigkeit und Wahrhaftigkeit großgeschrieben werden, unterlaufen die Limburger Vorkommnisse alle positiven Ansätze. Der Schaden, der in den vergangenen Monaten angerichtet wurde, sei unermesslich. Lücking: "Die katholische Kirche erscheint jetzt pauschal als eine Einrichtung, in der Geld verschwendet wird, dabei weiß jeder, der sich auskennt, dass dies nicht stimmt."

Es werde schwer sein, die Katholiken, die sich von der Kirche abgewendet haben, zurückzugewinnen. In Duisburg wollen die katholischen Pastoren und Pfarrer demnächst alle, die der Kirche den Rücken zugewandt haben, anschreiben und ihnen dabei ein persönliches Gespräch anbieten. Lücking: "Dabei werde ich zunächst nur zuhören und nicht versuchen, die Menschen zur Rückkehr in die Kirche zu überreden; es kommt vielmehr darauf an, Überzeugungsarbeit zu leisten und Vertrauen zurück zu gewinnen."

Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck hat direkt noch nicht zur Limburger Bischofsaffäre Stellung genommen, aber indirekt. Beim Finanzforum der Nationalbank in der Essener Philharmonie sagte er am Mittwoch in einer wichtigen Passage seiner Rede: "... auch die unausweichlichen Schlagzeilen der vergangenen Wochen haben unserer Sache, der glaubwürdigen Verkündigung des Evangeliums, nachhaltig geschadet. Wenn früher zur Ehre Gottes mit größtem künstlerisch-architektonischem Aufwand Kirchengebäude errichtet wurden, war dies stets bekenntnisvoller Ausdruck einer Glaubensbeziehung, die ästhetische Formen suchte und bis heute eindrucksvoll zur Kulturgeschichte beigetragen hat. Gegenwärtig kann man den berechtigten Eindruck haben, dass es im aktuellen Fall um ganz andere 'Herrlichkeiten' geht, wo vielmehr Demut und Bescheidenheit angesagt wären, so wie sie der Jesuit Papst Franziskus eindrucksvoll und mit starken symbolischen Gesten vorlebt."

Im Gegensatz zu anderen Städten ist die evangelische Kirche in Duisburg nicht in den Sog einer Austrittswelle geraten. Beim Amtsgericht wurden für Oktober im evangelischen Bereich 38 Kirchenaustritte registriert, eine Zahl, die eindeutige Schlüsse nicht zulässt. Deutschlandweit stieg aber bei der evangelischen Kirche die Zahl der Austritte. Der Grund sei, so heißt es, dass viele Menschen die Kirche als Ganzes wahrnehmen. Sarkastisch ausgedrückt kann man auch sagen: Ökumene zeigt sich am deutlichsten bei den Kirchenaustritten ...

(RP)
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