Extremsportler Ernst Bromeis "Der Rhein hat eine eigene Seele"

Davos/Düsseldorf · Der Schweizer Ernst Bromeis hat den Rhein 2014 von der Quelle bis zur Mündung durchschwommen. Obwohl ihn der Fluss an seine Grenzen brachte, liebt er ihn nach wie vor.

 Extremsportler Ernst Bromeis an der Rheinschlucht (Archiv).

Extremsportler Ernst Bromeis an der Rheinschlucht (Archiv).

Foto: dpa, Andrea Badrutt

Viele Jahre hatte er sich gefragt, wie es sich dort oben in den Niederlanden wohl anfühlt. Mit welcher Kraft sich der Rhein mit dem Meer vereint. Fast hätte Extremschwimmer Ernst Bromeis diese Erfahrung nicht machen können. Das schlechte Wetter und der Zeitplan hatten ihn vor sieben Jahren gestoppt. Hinter Basel musste Ernst Bromeis 2010 aus dem Wasser steigen. Er hätte auf seinen Körper und auf den Fluss hören sollen, nicht auf die Sponsoren — das weiß er heute.

Doch sein Vorhaben, den Rhein von der Quelle in der Schweiz bis zur Mündung zu durchschwimmen, holte er nach. 2014 gelang es dem Schweizer doch: Als zweiter Mensch legte er die Strecke zurück, 1247 Kilometer in 45 Tagen. Vor ihm schaffte das 1969 nur Klaus Pechstein, etwa zeitgleich 2014 vollbrachte es auch Andreas Fath.

Die Rhein-Tour sei lehrreich gewesen, sagt Ernst Bromeis (48), der den Rhein noch heute liebt, obwohl er ihn zuweilen das Fürchten gelehrt hat. "Es gibt nicht den einen Rhein. Je nachdem, wo man ihm begegnet, hat er einen anderen Charakter", sagt der 48-Jährige. In den Alpen sei er ein Bach. "In NRW ist der Rhein eine Wasserstraße", sagt Bromeis. Je weiter man ihm gen Norden folgt, desto stärker steigt die industrielle Nutzung. Ernst Bromeis hat es erlebt. Schließlich hat er mehr als einen Monat im Fluss verbracht.

Nur unter Auflagen durfte Bromeis sein Experiment starten, denn im Rhein ist das Schwimmen nach der "Verordnung über das Baden in den Bundeswasserstraßen Rhein und Schifffahrtsweg Rhein-Kleve" in bestimmten Bereichen verboten. Hundert Meter oberhalb und unterhalb von Rheinhäfen herrscht absolutes Badeverbot. Zu Recht, findet der Schweizer. "Als Mensch im Fluss erlebt man die Wucht des Stroms und die Kraft der Industrie." Wer ihn nicht lesen kann, der ertrinkt - selbst als guter Schwimmer.

Begleitet wurde der Wasserbotschafter auf seiner Rheinreise von einem Kajak und verschiedenen Lebensrettungsgesellschaften, erzählt er. Als Vater von drei Kindern habe er das Risiko nie unterschätzt, doch seine Botschaft war ihm mindestens so wichtig wie das eigene Leben. "Blaues Wunder" nennt er sein Projekt, dass auf das Wasser als endliche Ressource aufmerksam machen soll. Deshalb ist er durch den Rhein geschwommen und zuvor durch hunderte Seen in der Schweiz.

Bromeis erinnert sich an sein gefährlichstes Erlebnis. In Düsseldorf, nahe der Rheinkniebrücke, hatte damals ein großes Schiff zum Wendemanöver angesetzt. Sein Adrenalinspiegel schnellte hoch. Als hätte der Rhein beweisen wollen, nach wessen Regeln diese Tour abläuft. Und wer sie nicht berücksichtigt, dem droht das Ertrinken.

Über Umwege kam er zu seinem Projekt. Nach dem Lehramtsstudium unterrichtete Bromeis an einer Schule in der Schweiz. Das aber erfüllte den Sportfan nicht. In Basel begann er ein Sportstudium, spezialisierte sich auf Triathlon und trainierte das "Swiss Olympic"-Team — bis er seinem Herzen und seiner Liebe zum Wasser folgte — und Extremschwimmer wurde. Sein Vater hatte ihm einmal gesagt, dass er mit Mut dazu beitragen könne, die Welt zu verändern.

Für Ernst Bromeis war die Expedition deshalb kein einfacher Egotrip, sagt er. Der Schweizer hält Vorträge und nennt sich selbst einen "Wasserbotschafter". Er spricht über den Nutzen und die Lebensnotwendigkeit des Wassers. "Der Rhein fließt seit Jahrtausenden. Er hat eine eigene Seele", sagt er. Der Mensch sei in diesem Leben "höchstens ein Wimpernschlag".

Der ökonomische Wert des Flusses für den Menschen ist dennoch nicht zu unterschätzen. Der Rhein ist eine der meistbefahrenen Schifffahrtstraßen der Welt. Er ist Wirtschaftsmotor für NRW. Industrie hat sich angesiedelt. Und in Köln plant man nun, ein regionales Wasserbusliniensystem zu etablieren. "Amphibien-Busse" könnten bald Bonn, Köln und Leverkusen verbinden. Bromeis ist nicht dagegen. Er stellt dabei aber eine Frage: "Wie wird die Ressource Wasser genutzt?" Dies sei nur unter einer Bedingung vereinbar: "So, wie wir das Wasser bekommen, so müssen wir es auch zurückgeben."

Was den Rhein betrifft, der vor wenigen Jahren noch als einer der schmutzigsten Flüsse europaweit galt, sind erste Schritte getan. Die Wasserqualität ist gestiegen, die Fische kehrten zurück. Doch die Verschmutzung ist nach wie vor groß. Textilien, Rückstände von Kosmetika und Plastikmüll, den Menschen achtlos wegwerfen, machen dem Fluss zu schaffen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW meldete zuletzt immer wieder eine erhöhte Belastung durch Chemikalien.

2015 hat das Amt gemeinsam mit der Universität Bayreuth Mikroplastikproben aus dem Rhein entnommen. Mit dem Ergebnis, dass in Düsseldorf durchschnittlich 4,5 Partikel pro Kubikmeter Wasser nachgewiesen werden konnten. Berücksichtigt man, wie viele tausende Kubikmeter Wasser der Rhein führt, zeigt sich die Dimension des Mikroplastiks. Das schmerzt Bromeis. Darum referiert er heute in Schulen und vor jedem, der sich der Umwelt gegenüber verantwortlich fühlt.

"Wenn sich der Müll weiter sammelt, wird das Mikro zum Makro. Und das bekommen wir irgendwann zurück", sagt er. Globalisierung bedeute auch, dass jeder Verantwortung trägt. "London liegt am Rhein, und Düsseldorf und Köln liegen an der Themse", sagt Bromeis. Alles hänge zusammen: Was Basel mit dem Wasser macht, das spüren die Menschen bis zum Niederrhein. Ernst Bromeis hat das erkannt, als er nach 45 Tagen an der niederländischen Küste fühlte, wie Rhein und Nordsee ineinander übergehen.

(ball)
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