Tsv Bayer Dormagen Absteiger teilen sich die Favoritenrolle

Dormagen · Auch wenn es in Sachen Etats große Unterschiede gibt, ist das Niveau in der 2. Handball-Bundesliga eher ausgeglichen. Die Aufstiegsanwärter kommen aus Eisenach, Emsdetten und Bittenfeld.

Heiner Bültmann (43), seit fünf Jahren auf der Trainerbank der HSG Nordhorn-Lingen und damit einer der intimsten Kenner der Zweiten Handball-Bundesliga, spricht von einer "extrem ausgeglichenen Liga". Jörg Bohrmann (45), gerade mit dem TSV Bayer Dormagen in die Zweitklassigkeit geklettert, sagt zum gleichen Thema: "In dieser Liga gibt es keinen leichten Gegner." Und Christian Prokop (35), seit einem Jahr beim SC DHfK Leipzig in der sportlichen Verantwortung, erwartet "eine spannende Saison, in der jeder Spieltag mentale Stärke und Disziplin erfordert. Es fällt schwer, Favoriten und Außenseiter zu nennen."

Fakt ist: Im vierten Jahr nach der Zusammenlegung von Nord- und Südstaffel ist die eingleisige Zweite Liga noch immer nicht unumstritten, allein schon wegen des immensen Aufwandes, den sie für die 20 Vereine mit sich bringt: In vier Monaten, vom 23./24. August bis zum 28. Dezember, sind 22 Meisterschaftsspiele zu absolvieren. Der TSV Bayer Dormagen muss zu seinen 19 Auswärtsspielen insgesamt 12 640 Kilometer (Hin- und Rückfahrt) zurücklegen, Spitzenreiter sind die Gastspiele in Rostock (593 km) und Aue (533 km). Und die Hoffnungen, mit der Eingleisigkeit eine bessere Medienpräsenz und dadurch größere Vermarktungsmöglichkeiten zu erzielen haben sich ebenso wenig erfüllt wie die, den leistungsmäßigen Abstand zur Ersten Liga zu verkürzen. Im Gegenteil, meist sind die Aufsteiger gleich wieder die Absteiger, weil sie allein schon wirtschaftlich nicht mit den Bundesligisten mithalten können - obwohl auch bei der überwiegenden Zahl der Zweitligisten Etats im siebenstelligen Bereich längst an der Tagesordnung sind.

Eines ist die eingleisige Zweite Liga aber auf jeden Fall: spannend. Vorbei die Zeiten, in denen man mit acht Minuspunkten Meister wurde (wie der TSV Bayer Dormagen in der Saison 2007/08). Diesmal reichten der TSG Friesenheim 51:21 Zähler zum Titel vor dem punktgleichen HC Erlangen und der SG BBM Bietigheim (48:24). Der Abstand zwischen Rang sechs (HSG Nordhorn) und Platz 13 (Eintracht Hildesheim) betrug gerade mal elf Zähler. Und um nicht abzusteigen, mussten es schon 26 Punkte sein - die HG Saarlouis hätte es mit 23:49 Punkten eigentlich erwischt, doch sie blieb "dank" des Lizenzhickhacks um den HSV Hamburg und einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Dortmund vom Abstieg verschont.

Die Experten erwarten in der bis zum 7. Juni 2015 dauernden Spielzeit einen ähnlich knappen Ausgang. Eindeutige Favoriten sind ebenso wenig auszumachen wie eindeutige Abstiegskandidaten, auch wenn den beiden Bundesliga-Absteigern ThSV Eisenach und TV Emsdetten (die HBW Balingen-Weilstetten blieb aufgrund oben erwähnter einstweiliger Verfügung erstklassig) und den in der Vorsaison nur knapp am Aufstieg gescheiterten TV Bittenfeld und SC DHfK Leipzig am ehesten die Rolle der Anwärter auf einen der drei Aufstiegsplätze zugetraut wird. Am anderen Ende des Spektrums werden, wen wundert's, zuallererst die vier Aufsteiger erwartet, neben dem TSV Bayer Dormagen noch der HSC Coburg, Eintracht Baunatal und der SV Henstedt-Ulzburg.

"Doch selbst die verfügen über andere wirtschaftliche Voraussetzungen als wir", sagt TSV-Trainer Jörg Bohrmann. Geschäftsführer Björn Barthel beziffert den Saisonetat des Neulings mit 550 000 Euro, worin alle Personal-, Sach- und Fahrtkosten enthalten sind. Zum Vergleich: Der TV Großwallstadt spricht offiziell von einem Zwei-Millionen-Etat, von dem 1,2 Millionen für Spielergehälter ausgegeben werden - und dürfte damit nicht einmal Spitzenreiter sein.

Eisenach schickt einen 23 (!) Namen aus sieben Nationen umfassenden Kader ins Rennen um den Wiederaufstieg, beim TV Emsdetten, aus dessen Tor sich der Ex-Dormagener Vitali Feshchanka zum Oberligisten TV Bissen-Holte verabschiedete, sind es 16 aus gleichfalls sieben Nationen. Außer dem TSV Bayer Dormagen, der 15 Spieler auf seiner Kaderliste stehen hat, verzichten nur der VfL Bad Schwartau und Mitaufsteiger Eintracht Baunatal auf ausländische Kräfte.

Neben den vier Neulingen, von denen Zuschauerkrösus Coburg - hatte in der Drittliga-Saison einen Schnitt von 2400 - mit dem früheren Co-Bundestrainer Jan Gorr auf der Bank am stärksten eingeschätzt wird, werden die HG Saarlouis (verlor Junioren-Europameister Tim Suton an die Rhein-Neckar Löwen), die DJK Rimpar Wölfe, der TV Hüttenberg, der EHV Aue und der HC Empor Rostock als jene Teams gehandelt, die vorrangig um den Ligaverbleib spielen.

Schwer einzuschätzen ist die Rolle, die drei ehemalige Erstligisten spielen: Der ASV Hamm-Westfalen, der TV Neuhausen und TuSEM Essen (mit den Ex-Dormagenern Dennis Szczesny und Michael Hegemann) haben allesamt ihre Kader mehr oder weniger zwangsweise verjüngt - vielleicht kein Zufall, dass alle drei am Mittwoch in der ersten DHB-Pokalrunde böse Überraschungen erlebten. Der erste Meisterschaftsspieltag, der heute um 18.30 Uhr mit der Partie zwischen Eintracht Baunatal und dem TV Großwallstadt beginnt, wird da vielleicht schon erste Fingerzeige auf den weiteren Saisonverlauf geben.

(NGZ)
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