Manfred Abrahams "Stadt kann Beteiligungen verkaufen"

Düsseldorf · Der scheidende Kämmerer über die Schuldenfreiheit und die Möglichkeit, im Einzelfall Beteiligungen zu veräußern.

 Abrahams: "Bei einem Zinsniveau von 0,5 Prozent ist es verlockend, zum Beispiel befristet Geld aufzunehmen. Mein Ratschlag: Lasst es sein!"

Abrahams: "Bei einem Zinsniveau von 0,5 Prozent ist es verlockend, zum Beispiel befristet Geld aufzunehmen. Mein Ratschlag: Lasst es sein!"

Foto: Andreas Bretz

Herr Abrahams, in Ihrem Büro lag immer ein Notgroschen auf dem Fensterbrett. Haben Sie den zu den Stadtwerken mitgenommen?

Abrahams Ich habe ihn jedenfalls eingepackt.

In Ihren fünfeinhalb Jahren als Kämmerer in Düsseldorf wurden 600 Millionen aus dem Sparpolster verjubelt. Was haben Sie falsch gemacht?

Abrahams Dabei nichts. Das ist zudem eine verkürzte Sichtweise. In dieser Zeit hat es Investitionen von 1,5 Milliarden und eine Tilgung der Altschulden von 102 Millionen Euro gegeben. Unsere Stadt verändert sich weiter von Tag zu Tag zum Positiven. Deshalb ist eine Gesamtbewertung zwischen Geldausgeben und geschaffenen Werten vorzunehmen. Ich habe schon bei meinem Amtsantritt 2010 betont, dass die Balance zwischen wirtschaftlicher Schuldenfreiheit und Stadtentwicklung entscheidend ist.

Aber das Ersparte ist fast aufgebraucht. Ist wegen der Investitionen in Projekte wie Kö-Bogen nicht einiges auf der Strecke geblieben?

Abrahams Es muss immer eine Prioritätensetzung geben, das gehört zu den Rechten und Pflichten des Stadtrates. Die Politik setzt aus unterschiedlichen Standpunkten Prioritäten. Dies führt - je nach Mehrheiten - zu unterschiedlichen Antworten.

Thomas Geisel hatte im Oberbürgermeister-Wahlkampf kritisiert, es sei von Schwarz-Gelb ignoriert worden, was Düsseldorf wichtig ist: bezahlbares Wohnen, sanierte Schulen. Das Wahlergebnis gab ihm recht.

Abrahams Ich würde den Rahmen wieder so setzen, wie ich es gemacht habe. Wie die auf diesen Rahmen gespannte Leinwand bemalt wird, muss der Stadtrat bestimmen. Die Entscheidung für die Wehrhahn-Linie haben nahezu alle gemeinsam getroffen. Das ist ein Großprojekt, das in wenigen Monaten in Betrieb geht und an dem es nichts zu beanstanden gibt. Kosten und Zeitplan werden eingehalten. Düsseldorf kann Großprojekte. Das zeigt, dass es gut ist, Geld für eine sorgfältige Planung und für externe Beratung einzusetzen. So ist es auch beim Kö-Bogen.

Zugleich weist der Haushalt aber seit Jahren ein strukturelles Defizit aus - nächstes Jahr 35 Millionen Euro...

Abrahams Ich habe immer darauf geachtet, dass - wenn buchmäßig Defizite ausgewiesen wurden - die laufenden Geschäfte prinzipiell aus sich selbst finanziert wurden. Das Geld aus den Verkäufen der Stadtwerke-Anteile und RWE-Aktien ist immer in Investitionen gesteckt worden und nicht in den laufenden Haushalt. Bei diesem Prinzip bin ich mir auch mit dem amtierenden Oberbürgermeister einig.

Dennoch waren 2007 rund 600 Millionen Euro auf der hohen Kante, die Perspektive war nicht ein dauerhaft strukturelles Defizit.

Abrahams Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass es 2007 ein Rekordergebnis bei der Gewerbesteuer in Höhe von 1,1 Milliarden Euro gegeben hatte und die wirtschaftliche Schuldenfreiheit noch im Vorfeld der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise erreicht wurde. Auch in Düsseldorf hat sich durch die Krisen die Welt verändert, weil Branchen wie Mobilfunk, Energiewirtschaft und Finanzdienstleister betroffen sind. 2009 lagen die Gewerbesteuereinnahmen nur bei 750 Millionen Euro.

Das ist Jammern auf hohem Niveau. Stuttgart nimmt nur 500 Millionen Euro aus Gewerbesteuer ein.

Abrahams Düsseldorf ist wirklich steuerstark. Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass die Stadt bei Rankings beispielsweise zur Leistungsfähigkeit der Stadtverwaltung oder zum Ausbau bei Betreuungsplätzen für unter Dreijährige auf Top-Rängen steht. Bei der Flüchtlingsunterbringung leistet Düsseldorf Außergewöhnliches. Auch bei der Zusammenarbeit mit der Liga der Wohlfahrtsverbände haben wir einen Standard und eine Qualität, die weit über die Pflichtaufgaben hinausgehen.

Wo hat Düsseldorf zu wenig Geld ausgegeben?

Abrahams Es war schon immer so, dass die Bedürfnisse der Menschen höher waren als das, was zu vergeben war. Deshalb wird es immer einen Verteilungskampf geben.

Aber was ist mit den Staus bei den Schulsanierungen?

Abrahams Auch da muss man über den hohen Düsseldorfer Standard reden. Krefeld, wo ich vorher Kämmerer war, hat ein Berufskolleg für 15 bis 20 Millionen Euro gebaut. In Düsseldorf soll es mehr als das Dreifache sein, jedoch bei höheren Schülerzahlen. Es gibt hier eben über alle Schulformen eine höhere Nachfrage.

In Ihrer Rede zur Etat-Einbringung warnten Sie davor, die Büchse der Pandora zu öffnen und neue Schulden aufzunehmen. Wie sollen die in den nächsten Jahren geplanten Investitionen in Höhe von 800 Millionen Euro ohne neue Kredite umgesetzt werden?

Abrahams Rund 200 Millionen Euro pro Jahr zu investieren, ist finanzierbar. Mehr als die Hälfte kommt von Bund, Land, über städtebauliche Verträge mit Investoren oder über Erschließungsbeiträge der Bürger. Um den Restbetrag aufzubringen, ist es unerlässlich, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Denn der erwirtschaftet einen Geldüberschuss von 80 bis 90 Millionen Euro. Alternativ können im Einzelfall auch Beteiligungen oder Grundstücke verkauft werden - vorausgesetzt, mit der Investition wird ein nachhaltiger Wert geschaffen.

Und warum halten Sie angesichts der niedrigen Zinsen nichts davon, für Investitionen Kredite aufzunehmen?

Abrahams Bei einem Zinsniveau von 0,5 Prozent ist es natürlich verlockend, zum Beispiel auf fünf Jahre befristet Geld aufzunehmen. Ich sehe aber schon in dem Augenblick in den Fraktionen die Begehrlichkeiten wachsen. Mein Ratschlag: Lasst es sein! Eher halte ich ein Modell öffentlich-privater Partnerschaft wie beim Balletthaus für sinnvoll. Das wäre auch auf Schulbauten übertragbar.

Sie sind seit einigen Tagen Vorstand der Stadtwerke Düsseldorf. Spüren Sie Wehmut?

Abrahams Nein. Ich sehe das als Vervollständigung meines Berufslebens. Ich hatte immer das Ziel, irgendwann von der Verwaltungs- auf die Unternehmensseite zu wechseln. Energiewirtschaft ist spannend. Ich freue mich, aus der Rolle eines kontrollierenden und ratgebenden Mitglieds des Aufsichtsrats auf die andere Seite wechseln und auf die großen Herausforderungen für die Energiewirtschaft reagieren zu können.

Welche sind das?

Abrahams In Düsseldorf die der Energieerzeugung mit dem neuen Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Fortuna auf der Lausward. Insgesamt die Neuaufstellung vor dem Hintergrund der Energiewende.

Welche Rolle werden regionale Kooperationen spielen?

Abrahams Sie sind eine spannende Option für Düsseldorf und die Städte im Rheinland.

Rathaus-Chef Geisel bedauert Ihren Weggang, den er selbst initiiert hat. Krokodilstränen?

Abrahams Die gehören auch zum politischen Geschäft.

DENISA RICHTERS UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(RP)
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