Analyse Nach Der Wahl Der kommunale Blick: SPD stark - CDU schwächelt - AfD scheinstark

Krefeld · Die Ergebnisse der Bundestagswahl eröffnen in kommunaler Sicht überraschende Perspektiven: Trost für die großen Verlierer, Dämpfer für die Gewinner - und Fragen nach strategischen Defiziten.

 Quo vadis, SPD? Oberbürgermeister Frank Meyer und SPD-Fraktionschef Benedikt Winzen ins Gespräch vertieft. Ein Trost: Die SPD ist in Krefeld stärker, als es das Wahlergebnis im Bund glauben lässt.

Quo vadis, SPD? Oberbürgermeister Frank Meyer und SPD-Fraktionschef Benedikt Winzen ins Gespräch vertieft. Ein Trost: Die SPD ist in Krefeld stärker, als es das Wahlergebnis im Bund glauben lässt.

Foto: Lammertz

Betrachtet man die Ergebnisse von Sonntag durch die kommunale Brille, ergeben sich überraschende Perspektiven: Die SPD bleibt in der Stadt die stärkste politische Kraft; die CDU hat trotz des Erfolgs von Kerstin Radonski mehr Anteil an der Schwäche im Bund, als ihr lieb sein kann, und die AfD erweist sich als Scheinriese auf tönernen Füßen, der daran zerbrechen wird, dass er keinen kommunalen Unterbau hat. Im einzelnen:

Die SPD - stärker, als es den Anschein hat

Die SPD im Bund hat 20,5 Prozent geholt - in Krefeld gut vier Punkte mehr (24,7). Auch die beiden SPD-Kandidatinnen Nicole Specker (25,5) und Elke Buttkereit (32,1) liegen mit ihrem Ergebnis über dem Bundesschnitt, obwohl beide mit dem Handicap der Neulinge angetreten sind.

Die Krefelder SPD erweist sich damit als robuster, als es das Wahlergebnis widerspiegelt. Dazu kommt: Auch die Krefelder Linke - Fleisch vom Fleische der Sozialdemokratie - schneidet mit 6,9 Prozent (Krefeld Stadt, Zweitstimmen) schlechter als im Bund ab (9,2) - die SPD in Krefeld schafft also weiter, was die SPD im Bund nicht schafft: die Linke kleinzuhalten. Die CDU - schwächer, als es den Anschein hat

Die CDU hat am Sonntag einen beachtlichen Sieg gefeiert; Kerstin Radomski hat der SPD im Norden einen traditionell roten Wahlkreis abgejagt. Generell aber liegt die CDU mit 33,5 Prozent (Ergebnis Stadt, Zweitstimmen) in etwa auf Linie mit dem Bund (33 Prozent), hat also Anteil an der allgemeinen Schwäche der Union. Das relativiert Radomskis Erfolg - er vollzog sich unter sehr besonderen Bedingungen. Das Kunststück gelang im dritten Anlauf nach zwölf Jahren harter Arbeit und war begünstigt von der überregionalen SPD-Schwäche. Der Erfolg war personell gebunden: Radomski war offenbar die Richtige, die in ihrem Wahlkreis den richtigen Ton getroffen hat.

Diese Erfolgsfaktoren sind bei der Krefelder CDU zurzeit nicht erkennbar. Eine Langzeitstrategie bleibt blass; die Partei hat sich verjüngt und probiert in der Ansprache der Bürger neue Formate aus. Es fehlt der personelle Aspekt: Es ist kein Talent in Sicht, das zu dem Gesicht der CDU, gar zum Oberbürgermeisterkandidaten aufgebaut werden kann; umgekehrt führt SPD-Oberbürgermeister Frank Meyer sein Amt fehlerfrei; Angriffsflächen, mit denen politische Gegensätze personalisiert werden könnten, sind nicht in Sicht - zumal die CDU beim zentralen Thema Haushalt gut mit der SPD zusammenarbeitet. Insofern darf man jetzt schon sagen: Meyer hat nach heutigem Stand beste Chancen, die nächste Oberbürgermeisterwahl zu gewinnen.

Die AfD - ein Scheinriese

Die Krefelder AfD schneidet in der Stadt schlechter ab als im Bund: Das Gesamtergebnis Stadt liegt bei 8,5 Prozent (Zweitstimmen), im Bund holte die Partei vier Punkte mehr (12,6 Prozent). Das hat auch viel mit einer Zivilgesellschaft in Krefeld zu tun, die nicht so empfänglich ist für Ressentiments wie andernorts.

Zur Stabilität und Breite der gemäßigten Mitte in Krefeld kommt eine für jede Partei gefährliche Schwäche der AfD: Sie ist eine Dame ohne Unterleib, kommunal nicht verwurzelt und nicht sichtbar in der täglichen Arbeit.

Das ist auf mittlere Sicht ein politisches Todesurteil. Erfolge haben die AfDler auf Landes- und Bundesebene, weil es dort Protestpotenzial abzuschöpfen gibt. In der Kommune aber zählen Gesichter, Nähe, Arbeit, Mühe der Ebene. Nichts davon hat die AfD vorzuweisen. Auch der Krefelder AfD-Landtagsabgeordnete Martin Vincentz ist unsichtbar in der Stadt. Die von der AfD für sich reklamierte Nähe zum Volk bleibt Behauptung. So ist die strategische Ausgangsposition der AfD bei Weitem nicht so gut, wie es die Prozentzahlen nahelegen. Als reine Protest- und Provokationspartei ohne kommunale Wurzeln wird sie nicht überleben. Je mehr die AfD sich aber auf kommunale Arbeit einlässt, um so mehr wird sie auf das Maß einer normalen Partei zusammenschnurren.

Die Grünen - schwächer, als sie selbst glauben

Die Krefelder Grünen liegen bei 6,9 Prozent (Gesamtstadt, Zweitstimmen) und bleiben damit unter dem Bundesergebnis (8,9 Prozent). Der Einzug von Ulle Schauws in den Bundestag ist ein persönlicher, innerparteilicher Erfolg für Schauws, aber ein Scheinsieg für die Krefelder Grünen, der die grüne Schwäche in Krefeld eher überdeckt. Grüne Politik verfängt in der Stadt nicht wirklich.

Warum?

Man hat nicht den Eindruck, dass die Krefelder Grünen sich dieser Frage scharf stellen. Darin hat die Partei Anteil an den Bundes-Grünen: Jamaika ist ja Synonym dafür, dass die Grünen sich strategisch neu ausrichten müssen - ein bisschen neu wird nicht reichen.

Im Moment sieht es nicht so aus, als entwickelten die Grünen die Kraft für solche Weichenstellungen - egal auf welcher Ebene.

(RP)
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