Mönchengladbach Schulterschluss gegen Langzeitarbeitslosigkeit

Mönchengladbach · Stadttöchter wie Mags sollen wieder gewerblich ausbilden, Kümmerer könnten Langzeitarbeitslose, Flüchtlinge und Jugendliche begleiten.

Gladbachs Arbeitsmarkt boomt - die Arbeitslosenzahl ist unter zehn Prozent gesunken, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen steigt seit Jahren. Und doch gibt es einige Gruppen, bei denen der Aufschwung bislang kaum ankommt. Das verdeutlicht ein Blick auf die Zahlen: 39.000 Gladbacher erhalten Leistungen vom Jobcenter, darunter 27.000, die zu den erwerbsfähigen Hilfeberechtigten gehören. Gerade bei der verfestigten Arbeitslosigkeit, also den Langzeitarbeitslosen, gibt es kaum Bewegung. "Über 60 Prozent haben keine Berufsausbildung, 40 Prozent erreichen nicht den Hauptschulabschluss der Klasse 10", sagt Klaus Müller, der Geschäftsführer des Jobcenters.

Wahrscheinlich noch nie war die Gelegenheit, in Zeiten der "wachsenden Stadt", so günstig, sich endlich auch dieser Abgehängten anzunehmen, um sie künftig wieder für den Arbeitsmarkt gewinnen zu können. Um solch neue Impulse für den örtlichen Arbeitsmarkt als Integrationschance zu entwickeln, diskutierte Müller auf Einladung der SPD-Fraktion mit Angela Schoofs (Arbeitsagentur), Hans-Jürgen Schnaß (Mags), Claus Schwenzer (Effertz Tore) und der Bundestagsabgeordneten Gülistan Yüksel. Die Situation von Flüchtlingen und Behinderten wurde dabei gleich "mitgedacht".

Drei Handlungsschwerpunkte wurden herausgearbeitet. Zum einen stellte Schnaß dar, dass Mags 2017 anfangen wird auszubilden, vor allem im gewerblichen, "nicht-akademischen" Bereich - das hat es lange nicht mehr gegeben. "Mags nimmt sich des Themas Arbeitsmarktförderung als öffentliches Unternehmen an", sagte Schnaß. Er berichtete zudem, dass im Rahmen einer Integrationsmaßnahme der Arbeitsagentur acht Flüchtlinge für sechs Monate im Bereich Grünunterhaltung angestellt wurden, von denen fünf gerne dauerhaft als Hilfsgärtner arbeiten wollen: "Wir prüfen jetzt, ob mit Unterstützung der Bundesagentur eine Beschäftigung möglich ist." Für Schüler gebe es zudem bezahlte Ferienjobs. Rund zehn Ausbildungsplätze könnte es bei Mags im ersten Jahrgang geben, die unter ein gemeinsames Dach gebrachten städtischen Wohnungsbauunternehmen könnten bald nachlegen. Das städtische Engagement solle auch entsprechend in die Privatwirtschaft hinein ausstrahlen.

Zweiter Schwerpunkt: Hilfsangebote für "problematische" Familien, in denen die Langzeitarbeitslosigkeit quasi "vererbt" wird, gibt es zwar wie Sand am Meer - es mangelt aber an dem einen, alles koordinierenden Ansprechpartner, wie es für Flüchtlinge etwa der Integration Point ist. "Wir müssen mehr als bisher an diese schwierige Eltern-Generation herangehen", sagt Ralf Horst, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion - damit sich speziell deren oft schulmüder Nachwuchs nicht zu sehr in einem System einrichtet, in dem derjenige, der sich bewegt, oft mit Nachteilen konfrontiert zu sein scheint. Hierzu müsse man die Arbeit an Schulen intensivieren, um die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu reduzieren. Es würden sich aber auch Schoofs, Müller und Sozialdezernentin Dörte Schall demnächst noch einmal gesondert treffen, um eine noch engere Zusammenarbeit zu besprechen, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Felix Heinrichs. Eine Idee könnten Kümmerer sein, die Unternehmen beraten und Jugendliche, Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge intensiv begleiten.

Und der dritte Punkt, den man aber auf Landesebene angehen müsse und werde, so Heinrichs: weg von "Projektitis", hin zu mehr verstetigten Förderprojekten, wenn diese sich als erfolgreich erweisen. Erfolgserlebnisse schaffen, herausstellen und nutzen, um weitere zu generieren - darum gehe es, und das möglichst nachhaltig. Er nannte als Beispiel den "Stromsparcheck" des Volksvereins: Dabei werden Haushalte, die vom Arbeitslosengeld II oder der Grundsicherung leben, sozusagen zu Energieexperten ausgebildet. "Aber was mache ich hinterher mit den Leuten und ihren Kenntnissen, wenn das Projekt beendet ist?" Bei den Wohnungsbaugesellschaften, aber auch bei der NEW etwa könne es gegebenenfalls Anstellungsmöglichkeiten geben, die heute in dieser Form noch nicht realisiert werden. "Durch den Einsatz von Transferleistungen als Mittel der Arbeitsmarktförderung könnten wir Menschen in Beschäftigung bringen und damit aus dem Teufelskreis Langzeitarbeitslosigkeit holen. Neuansiedlungen wie Zalando bringen uns weiter, sind aber nur ein Element", sagt Horst.

Claus Schwenzer von Effertz Tore berichtete, dass er es als soziale Verpflichtung empfinde, neben Flüchtlingen auch Jugendlichen eine Ausbildungschance zu geben, die einen Unterstützungsbedarf haben. "Ich würde mir wünschen, dass es für uns Unternehmer leichter wäre, Ansprechpartner und Hilfe zu finden."

(tler)
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