Moers Bunter Tisch: Den typischen "Nafri" gibt's nicht

Moers · Bei einem Gesprächs- und Vortragsabend rückte der Verein Vorurteile über Nordafrikaner zurecht.

 Amar Azzoug hatte die Journalisten Youcef Boufidjeline und Muncef Slimi (von rechts am Tisch vor dem Fenster) eingeladen.

Amar Azzoug hatte die Journalisten Youcef Boufidjeline und Muncef Slimi (von rechts am Tisch vor dem Fenster) eingeladen.

Foto: KLaus Dieker

"Nafris", für viele Menschen ist das einfach nur eine neutrale Bezeichnung für in Deutschland lebende Menschen nordafrikanischer Herkunft. Laut Ernst Walther, Vorsitzender der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft, soll es sich dabei jedoch um eine polizeiintern gebrauchte Abkürzung für "nordafrikanische Intensivtäter" handeln, die bereits mindesten fünf Mal mehr oder weniger stark mit dem deutschen Gesetz in Konflikt geraten sind. Für die meisten hier lebenden Nordafrikaner und auch für viele liberal denkende Deutsche ist "Nafri" wiederum ein Schimpfwort, mit dem vor allem junge Männer aus Nordafrika pauschal als sexuelle Belästiger und Gewalttäter vorverurteilt werden. So hatte der Titel "Nafri-Abend" zu dem "Der Bunte Tisch" Moers im Rahmen des Aktion-Mensch-Projektes "Sich begegnen und miteinander gestalten" in sein Vereinsheim in der Kornstraße 3 eingeladen hatte, eher eine ironische als eine neutrale Bedeutung, wie Amar Azzoug in einer kurzen Begrüßungsansprache erklärte.

Selber aus Algerien stammend, hatte der Vorsitzende des "Bunten Tisches" für diesen Abend mit dem tunesischen Journalisten Moncef Slimi und dem algerischen Fernsehmoderator Youcef Boufidjeline zwei versierte Kenner des aus Algerien, Lybien, Mauretanien, Marokko und Tunesien bestehenden "Maghreb" eingeladen. Dabei ging es neben der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten auch um die Auswirkungen auf deren hier in Deutschland lebende Familien, von denen sich viele seit den Ereignissen der Kölner Silversternacht 2015/16 einer oft pauschalen Anfeindung durch verschiedene Internetmedien ausgesetzt fühlen. In diesem Zusammenhang präsentierten die beiden aus Tunesien und Kamerun stammenden Mitglieder des "jungen bunten Tisches" Ilias Hadji und Kelly Agaba eine sorgfältige Internetrecherche über die in der letzten Silvesternacht vorsorglich durchgeführten Polizeikontrollen an mehr als 400 vermeintlich nordafrikanisch aussehenden jungen Männern. Danach waren ihren Ermittlungen zufolge aber nur 30 auch tatsächlich nordafrikanischer Herkunft gewesen.

"Wir müssen aufhören, gleich jeden Nordafrikaner für einen Verbrecher zu halten", mahnte auch Moncef Slimi in seinem Referat zu mehr Vorsicht mit unseriösen Internetmeldungen an. Den typischen Nordafrikaner gebe es nämlich gar nicht, was bei näherem Hinsehen schon an den sehr unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen in den Maghreb-Staaten sichtbar sei. Allen gemeinsam sei lediglich der Wunsch vieler junger Menschen nach Arbeit und einer sicheren beruflichen Zukunft. Für einige sei Deutschland dabei in ihrer Vorstellung eine Art ökonomisches Paradies. Hier gelte es, bald ein realistischeres Bild von Deutschland zu schaffen, statt noch mehr an keinerlei Bedingungen gebundene Gelder nach Nordafrika zu schicken, die überall, nur nicht bei der breiten Bevölkerung ankommen würden.

(lang)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort