Solingen In Gedanken wieder in Tokio

Solingen · Einen Tag nach dem großen Erdbeben in Japan und der Reaktorkatastrophe ist die in Japan lebende Solingerin Ines Karschöldgen-Matsuyama mit ihrem dreijährigen Sohn Kaishu zu ihren Eltern nach Aufderhöhe gezogen. Inzwischen kann sie sich eine Rückkehr nach Tokio gut vorstellen.

An ihr erstes Erdbeben in Japan kann sich Ines Karschöldgen-Matsuyama noch gut erinnern. "Das war ein kleines Beben, so bei 3,5 auf der Richterskala, doch die Gebäude schwankten und ich lief auf die Straße", erzählt die Solingerin. Als sie dort ankam, war sie die Einzige, die das Gebäude verlassen hatte.

"Ich kam mir ganz schön blöd vor", erinnert sich die Journalistin, die einen Tag nach dem großen Erdbeben am 11. März mit ihrem dreijährigen Sohn Kaishu Tokio verließ und seither bei ihren Eltern in Aufderhöhe lebt, während ihr Mann in Tokio zurückblieb. Eine Geschichte, die sie inzwischen mehrfach im Fernsehen erzählt hat. "Es waren die ehemaligen Kollegen bei der ARD, die mich baten, über das zu berichten, was ich erlebt hatte", sagt die 43-Jährige.

"Wäre es nur ein Erdbeben gewesen und der Reaktor in Fukushima nicht explodiert, ich wäre in Tokio geblieben", sagt Ines Karschöldgen-Matsuyama. Doch so habe sie in Angst um ihren dreijährigen Sohn beschlossen, Japan zu verlassen — vorübergehend. "Zu präsent waren noch die Bilder von Tschernobyl in meinem Kopf." Für ihren japanischen Ehemann wäre das nicht infrage gekommen, sagt die Journalistin und erklärt, dass er als Japaner in Verantwortung um seine Firma und deren Mitarbeiter — er ist Partner in einer Unternehmensberatung — in solch einer Krisensituation seine Heimat nie verlassen hätte.

"Zwei Drittel seine Mitarbeiter arbeiten inzwischen nicht mehr in Tokio, sondern in Osaka." So kam Ines Karschöldgen-Matsuyama einen Tag nach der Katastrophe mit einem Flug der All Nippon Airways allein mit ihrem Sohn in Deutschland an. Zweimal im Jahr besucht die 43-Jährige ohnehin ihre Eltern in Aufderhöhe, die natürlich sehr in Sorge waren um die Tochter und ihre Familie und sie drängten, Japan zu verlassen, bis sich die Situation wieder beruhigt hat. Wann das der Fall sein wird, kann jetzt noch niemand absehen.

Ines Karschöldgen-Matsuyama jedenfalls kann sich vorstellen, schon nächste Woche zu ihrem Mann nach Tokio zurückzukehren. "Er findet es im Moment amüsant, dass Tokio so gut wie ausländerfrei ist", berichtet die Journalistin, die beim Fernsehsender NHK World für die Wirtschaftssendung verantwortlich ist. Doch auch wenn ihr Mann sich in Tokio mit den Umständen arrangiert hat, weiß sie: "Er braucht mich, vor allem auch, den emotionalen Beistand". Wenngleich die Japaner mit der Katastrophe und ihren Folgen ganz anders umgehen, als es Europäer tun würden. Niemand würde um Hilfe bitten, alle sind nur bemüht, keinem zur Last zu fallen", weiß die Solingerin. Selbst als das japanische Fernsehen die Bilder vom explodierenden Reaktor von Fukushima zeigte, habe ihr Mann gelassen reagiert. "Shoganai" sagt man in Japan, "man kann nichts machen".

Dennoch weiß Ines Karschöldgen-Matsuyama: "Japaner können Hilfe gebrauchen, auch wenn Japan ein reiches Land ist. Von den Opfern des Erdbebens 1995 in Kobe sind auch heute noch viele Menschen obdachlos. Sie hat das soziale Netz nicht mehr aufgefangen. Die Solingerin, die 2001 zum ersten Mal in Japan war, sagt: "Wer in Japan einmal auf der Straße lebt, hat es nicht leicht, wieder in die Gesellschaft zurückzukehren. Der braucht Hilfe von außen." Deshalb ist sie auch dabei, wenn es am Samstag ab 20 Uhr im Remscheider Alleecenter heißt: Remscheid hilft Japan.

(RP)
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